Hans von Dohnanyi, Ehemann von Bonhoeffers zweitältester Schwester Christine, arbeitete unter Admiral Canaris im Amt für Spionageabwehr. Beide gehörten führend zu einer Oppositionsgruppe, die sich um Hilfe für bedrängte Juden und um die Dokumentation der Verbrechen des Nationalsozialismus bemühte und später aktiv auf die Tötung Hitlers hinarbeitete.
In dieser Gruppe liefen viele Fäden des Widerstandes zusammen. Bonhoeffer wurde um 1940 als sogenannter V-Mann (zur besonderen Verwendung) eingestellt und entging dadurch der Gefahr, zum Militärdienst eingezogen zu werden. Offiziell sollte er seine Auslandsbeziehungen für die Spionageabwehr zur Verfügung stellen, in Wirklichkeit aber setzte er sie für den Widerstand ein.
Bonhoeffer reiste für die Abwehr in die Schweiz, nach Norwegen, Schweden und Italien (Rom). Er hatte den Auftrag zu erkunden, wie die Amerikaner und Engländer im Falle eines Putsches reagieren würden. Würden die Kriegshandlungen eingestellt werden? Noch einmal traf er in dieser Mission seinen englischen Freund Bischof Bell in Stockholm, der daraufhin in London alles versuchte, um den deutschen Widerstand zu unterstützen. Bei seiner Regierung fand er aber kein Gehör und keinen Glauben. Eine positive Antwort hätte bei den deutschen Generälen den Entschluss zum Putsch sehr fördern können.
Bei seiner Reise in die Schweiz hatte Dietrich gehofft, Karl Barth besuchen zu können. Dies schien aber plötzlich schwierig zu sein.
Dietrich hatte nämlich in der Schweiz mehrmals gehört, dass es Karl Barth etwas unheimlich
sei, dass Bonhoeffer einen Pass hatte und ins Ausland reisen konnte zu einer Zeit, in der eigentlich nur Männer der NS-Regierung und ihre Beauftragten reisen durften.
So schrieb er am 17.Mai 1942 an Karl Barth:
Lieber Herr Professor!
Verzeihen Sie bitte, wenn das, was ich nun schreibe, Unsinn und nicht der Rede wert ist. Aber fragen muß ich nun doch, weil mir die Sache zu sehr nachgeht: Als ich in der vorigen Woche in Zürich zum ersten Mal hörte, mein Aufenthalt hier sei Ihnen ›wegen der Aufträge unheimlich‹, habe ich einfach gelacht … Nun höre ich dasselbe bereits zum zweiten Mal hier in Genf, und nachdem ich es mir ein paar Tage lang überlegt habe, möchte ich Ihnen das einfach sagen … In einer Zeit, in der so vieles einfach auf persönlichem Vertrauen stehen muß, ist ja alles vorbei, wenn Mißtrauen aufkommt.
Die Antwort war sehr positiv, so dass Dietrich dann tatsächlich noch seinen Besuch bei Karl Barth machte.
Neben allen politischen und kirchlichen Aufgaben und Aktivitäten im Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime blieb es für Bonhoeffer wichtig, theologisch zu arbeiten. Er begann seine Ethik
, in der er sich mit Fragen der Verantwortung im politischen und privaten Bereich auseinander setzte. Das begonnene Buch konnte er jedoch nicht mehr abschließen. Nach Ende des Krieges gab Eberhard Bethge das Werk, so wie er glaubte, dass Bonhoeffer es zusammengestellt hätte, auf Bitten der Eltern Bonhoeffers heraus.
Bonhoeffer schrieb an der Ethik zumeist zu Hause in Berlin, obwohl ihm 1938 ein Aufenthaltsverbot für die Stadt erteilt worden war. Sein Vater hatte jedoch erreicht, dass er seine Eltern in Berlin besuchen durfte, wo er, einzig Unverheirateter unter seinen Geschwistern, sein Zimmer im Elternhaus behalten hatte.
Durch die Nachbarschaft des Ehepaares Schleicher und ihrer vier Kinder gab es immer reges Leben in den beiden Häusern, auch Klaus Bonhoeffer und seine Familie wohnten in der Nähe und kamen oft zu Besuch, wie auch die Familie von Dohnanyi.Das Familienleben in den beiden Häusern, das gemeinsame Musizieren, die Gespräche, der intensive Gedankenaustausch, besonders über die politischen Ereignisse und Entwicklungen – all dies war für alle wichtig in dieser schwierigen und sorgenvollen Zeit.