Albrecht Schönherr

Albrecht Schönherr wohnte als Theologiestudent an der Berliner Universität (1932 studentischer Senior bei Professor Arthur Titius) bei seiner Tante, der Religionslehrerin Gertrud Müller. Deren ehemalige Schülerin Hilde Enterlein nahm bei ihm für ihr Theologiestudium Griechischunterricht. Beide besuchten die Lehrveranstaltungen Bonhoeffers und kamen ihm nahe im studentischen Bonhoefferkreis, zu dem sich etwa 20 junge Leute hielten. Im beginnenden Kirchenkampf 1933 waren sie an Bonhoeffers Aktionen gegen die Deutschen Christen beteiligt. Albrecht schloss im Herbst 1933 sein Studium ab und durchlief die praktische Ausbildung zum Pfarrer, zunächst im Vikariat, dann als Prädikant. 1934 unterstellte er sich sofort der bruderschaftlichen Leitung der sich konstituierenden Bekennenden Kirche. Zu der ökumenischen Konferenz auf der dänischen Nordseeinsel Fanø fuhr Hilde als Jugenddelegierte; von Bonhoeffers Referat am Vormittag des 28.8.1934 nahm sie einen Durchschlag des Manuskripts mit, das am selben Tage nach dem Stenogramm eines Hörers angefertigt worden war. Dieses Dokument wurde die Grundlage der Veröffentlichung der Friedenspredigt Bonhoeffers (zuerst 1957 in Zeichen der Zeit Heft 1, Berlin Ost). Ab Ende April 1935 war Albrecht, zusammen mit Jochen Kanitz und Winfried Maechler aus dem Berliner Bonhoefferkreis, in dem von Bonhoeffer geleiteten Berlin-Brandenburger Predigerseminar. Alle Drei blieben über den Halbjahreskurs hinaus bis zum Frühjahr 1936 im Bruderhaus in Finkenwalde. Albrecht betreute die Rundbrief-Sendungen, die vom 15.11.1935 an die Teilnehmer des vorhergehenden Kurses mit der Finkenwalder Bruderschaft verbanden. Mit dem Sechsten Rundbrief verabschiedete Albrecht sich am 15.3.1936 als Schriftleiter. Am 5. April wurde er ordiniert. Am 15. April traute Bonhoeffer Albrecht Schönherr und Hilde Enterlein. In Greifswald versuchte Albrecht seit 1935 Studierende zu gemeinsamem Leben zu sammeln. Bonhoeffer war im Sommer 1936 fast wöchentlich zur Unterstützung dort. Doch die Ablehnung von Seiten der Greifswalder Theologischen Fakultät war zu stark. Mit einer Anstellung als Gemeindepfarrer konnten in der Bekennenden Kirche ordinierte Theologen kaum rechnen. Leiterin des Büros des Bruderrats in Stettin war Stefanie von Mackensen-Astfeld; sie hatte als einzige Frau an den Reichsbekenntnissynoden im Mai (Barmen) und Oktober (Dahlem) teilgenommen. Ihr Onkel, der greise Generalfeldmarschall August von Mackensen, besaß als Patronatsherr der Kirchengemeinde im Städtchen Brüssow in der Uckermark das Recht, die Pfarrstelle zu besetzen. Dorthin zogen Schönherrs im Spätherbst 1937. – Die freundschaftliche Verbundenheit mit Bonhoeffer dauerte ihr Leben lang.

Quelle:

Laß es uns trotzdem miteinander versuchen.Gütersloh 1997, 11 f; Valentin Schönherr: Träumen ist mir zu poetisch.Berlin 2014; Die Finkenwalder Rundbriefe, Gütersloh 2013; Eberhard Bethge: Dietrich Bonhoeffer. Eine Biographie, Gütersloh 92005, Seite 601.

SCHÖNHERR, ALBRECHT (1911-2009): wurde am 9.11.1911 in Katscher in Oberschlesien geboren. Er war 1932-1933 im studentischen Bonhoefferkreis in Berlin; 1935 im ersten Predigerseminar-Kurs in Finkenwalde, anschließend dort Bruderhausmitglied bis zum Ende des zweiten Halbjahreskurses; 5.4.1936 Ordination in Dahlem; 15.4.1936 Heirat mit Hilde Enterlein (geboren 22.1.1912). Als Inhaber des Studentenamtes der Bekennenden Kirche in Greifswald versuchte er die Gründung eines Bekenntniskonvikts. 1937 Pfarrer in Brüssow; 1940 zum Militär; die Berlin-Brandenburgische Kirchenleitung erklärte Hilde Schönherr zur kommissarischen Verwalterin der Pfarrstelle. Albrecht war in britischer Kriegsgefangenschaft in Tarent (Italien) Lagerpfarrer und baute ein Theologisches Seminar auf. Ende Mai 1946 Heimkehr nach Brüssow; ein halbes Jahr später Pfarrer in Brandenburg an der Havel, 1947 Dechant am Dom, Superintendent des Kirchenkreises und Direktor des 1951 gegründeten Predigerseminars. Hilde Schönherr starb am 26.3.1962. Albrecht wurde 1963 Generalsuperintendent in Eberswalde, 1967 Verwalter des Bischofsamtes in der Ostregion von Berlin-Brandenburg (nach dem Mauerbau 1961 konnte Bischof Kurt Scharf nicht mehr nach Ost-Berlin einreisen), 1969 Vorsitzender der Konferenz der Kirchenleitungen im Bund der Evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik, 1973-1981 Bischof; im Ruhestand wirkte er in Bonhoeffer-Freundeskreisen und als Herausgeber der Dietrich Bonhoeffer Werke. Er starb am 9.3.2009 in Berlin.

Vita aus:

Die Finkenwalder Rundbriefe, Gütersloh 2013, 673 im Personenverzeichnis; Valentin Schönherr: Träumen ist mir zu poetisch. Das Leben der Pfarrfrau Hilde Schönherr (1912–1962), Berlin 2014

Wolf-Dieter  Zimmermann

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