Fritz Olbricht

Person

Dietrich Bonhoeffer traf am 15. Februar 1928 in Barcelona ein. Pfarrer Fritz Olbricht, dem er für ein Jahr als Lehrvikar zugewiesen worden war, holte ihn vom Bahnhof ab. Bonhoeffers erster Eindruck: ein großer, schwarzhaariger, unpastoral wirkender Mann, sehr schnell und undeutlich sprechend. Einem Freund vertraute Bonhoeffer an, Olbricht sei »kein Held auf der Kanzel«. Als Olbricht während seines drei Monate langen Heimaturlaubs (Juli bis Oktober 1928) Bonhoeffers Eltern in Berlin besuchen wollte, schrieb ihnen der Sohn vorbereitend, Olbricht schätze »ein gutes Glas Wein und eine gute Zigarre«. Der Pfarrer überließ es seinem Vikar, den Kindergottesdienst einzurichten; der wurde zu einer Attraktion in der deutschen Auslandsgemeinde, und das Weihnachtsspiel der Kinder rief »allgemeine Freude« hervor. Bonhoeffer ergriff unaufgefordert die Initiative, in der deutschen Schule Oberstufen-Religionsunterricht einzuführen, stieß dabei aber auf Widerstand nicht nur des Lehrerkollegiums, sondern auch Olbrichts. Stattdessen hielt er im Winter 1928/29 drei Vorträge, die in erster Linie den Primanern galten, und es kam ein Ausspracheabend mit ihnen zustande. Am Ende der Vikariatszeit äußerte sich Olbricht in Berichten an den Deutschen Evangelischen Kirchenausschuss in Berlin sehr zufrieden mit Bonhoeffer. Dieser trug hinten in sein spanisches Tagebuch Beobachtungen ein wie die im deutschen Hilfsverein, in dessen Sprechstunde Olbricht »jeden Hilfsbedürftigen zunächst anschreit, mit der Versicherung, er bekäme bei uns nichts, und am Ende keinen ohne etwas fortschickt«. Olbricht habe Eifersucht gezeigt, als Bonhoeffers »Gottesdienst viel stärker besucht wurde als seiner«. »Der starke Zulauf der Vorträge war ihm unangenehm, das Gelingen des Krippenspiels ärgerte ihn, sodaß es zu einem Zusammenstoß kam.« Das ganze Jahr hindurch hätten sie sich nie über Theologisches oder Religiöses unterhalten; »wir blieben uns im grunde fremd, aber hatten uns gegenseitig gern. Er hat mir alle Freiheit gelassen und dafür war ich ihm dankbar.«
Renate Bethge fasst zusammen: Fritz Olbricht räumte Bonhoeffer viele Freiheiten ein, ließ ihn neue Arbeitsformen einführen und schickte ihn gelegentlich auch an seiner Stelle dienstlich nach Mallorca und Madrid. Auf der anderen Seite vermittelte Olbricht Bonhoeffer aber auch, dass Auslandsgemeinden in einem beträchtlichen Maß vom Miteinander lebten und Eingehen auf die einzelnen Leute wichtig war. Bonhoeffer hielt Olbricht für einen gutmütigen und umgänglichen Mann, den er dafür schätzte, dass er sein Amt ohne Pathos und Überheblichkeit versah.

Quelle:

Renate Bethge: Dietrich Bonhoeffer. Eine Skizze seines Lebens © 2004, Gütersloher Verlagshaus GmbH, Gütersloh. Bethge, Eberhard: Dietrich Bonhoeffer. Theologe – Christ – Zeitgenosse. Eine Biographie. Gütersloh 92005, 144. DBW 10, DBW 17

OLBRICHT, FRITZ (1874-1962): aus Westfalen;1920-1934 Pfarrer der deutschen Gemeinde in Barcelona und Präses der Deutsch-Iberischen Konferenz; verheiratet. Die Tochter der Olbrichts heiratete am 20. Dezember 1927  in Barcelona und wohnte mit ihrem Mann bei den Eltern (im Sommer 1928 war sie schwanger); der Sohn hatte 1928 Abitur gemacht und war im Sommer in Deutschland. – Ein nach 1933 entstandenes Foto zeigt Olbricht mit dem Parteiabzeichen der NSDAP auf dem Revers.

Vita aus:

Bethge, Eberhard: Dietrich Bonhoeffer. Theologe – Christ – Zeitgenosse. Eine Biographie. Gütersloh 92005. DBW 10, Seite 740 im Personenverzeichnis, und 15, 74, 136, 619

Leben und Werk

Bonhoeffer heute

Forschung

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