Durch die Heirat mit Dietrich Bonhoeffers Zwillingsschwester Sabine Bonhoeffer wurde Gerhard Leibholz Teil der Familie Bonhoeffer und durch ihn war die Familie auch persönlich von der Judenpolitik der Nationalsozialisten betroffen. Leibholz verlor in den 1930er Jahren seine Professur und seine Frau und er erwogen die Möglichkeiten, ins Ausland zu gehen. An eine endgültige Trennung wollte aus der gesamten Familie jedoch lange niemand denken. Stattdessen bemühte man sich, Schlupflöcher zu finden, um es den beiden zu ermöglichen, in Deutschland zu bleiben. Bereits 1933 hatte sich jedoch gezeigt, wie schwierig die Gesetzgebung sein konnte. In jenem Jahr starb Gerhard Leibholzs Vater und Dietrich Bonhoeffer wurde gebeten, diesen zu beerdigen, was dieser nach Rücksprache mit seinem Superintendenten ablehnte: Es sei in der aktuellen politischen Situation nicht ratsam, einen Juden zu beerdigen. Schon kurze Zeit später entschuldigte sich Bonhoeffer jedoch dafür, an dieser Stelle dem politischen Druck nachgegeben zu haben. Dieses Verhalten sorgte nicht dafür, dass sich das Verhältnis zwischen Gerhard Leibholz und Dietrich Bonhoeffer verschlechterte. Stattdessen unterstützten sie sich gegenseitig. So half Dietrich Bonhoeffer der Familie Leibholz bei der Planung ihrer Emigration und brachte Gerhard Leibholz mit Bischof Bell in Kontakt.
Später unterstützten Sabine und Gerhard Leibholz DietrichBonhoeffers Handeln aus dem Ausland, indem sie ihm Geld zukommen ließen und beratend für Bell tätig waren, was die politische Situation Deutschlands anging. Auch zu diesem Zeitpunkt noch hielten Bonhoeffer, Sabine und Gerhard Leibholz regelmäßigen Kontakt per Brief und Dietrich Bonhoeffer bemühte sich um Möglichkeiten, sie auf seinen Auslandsreisen auch persönlich zu sehen.
Wie nahe sich Gerhard Leibholzund Dietrich Bonhoeffer standen, zeigt sich auch in der Darstellung Bethges in dessen Bonhoeffer-Biographie. Leibholz wird darin nicht als Schwager oder Mann von Sabine Bonhoeffer dargestellt, sondern von beiden gemeinsam als ‚Geschwister’ gesprochen.
Quelle:
Renate Bethge: Dietrich Bonhoeffer. Eine Skizze seines Lebens © 2004, Gütersloher Verlagshaus GmbH, Gütersloh
LEIBHOLZ, GERHARD, DR. JUR. ET PHIL. (1901-1982): wurde am 15.11.1901 in Berlin geboren; war Christ, hatte jedoch jüdische Wurzeln, was ihn 1938 mit seiner Familie zur Emigration nach Oxford zwang; heiratete am 06.04.1926 Sabine Bonhoeffer, mit der er zwei Kinder hatte; war vor seiner Auswanderung Professor für Staatsrecht in Greifswald und Göttingen; hielt in England Kontakt zu Bischof Bell und war auf diesem Weg an Flucht- und Widerstandsplänen beteiligt; während des Krieges zeitweise interniert: 1947 kehrte die Familie nach Göttingen zurück; Gerhard Leibholz wurde Bundesverfassungsrichter in Karlsruhe; starb am 19.02.1982 in Göttingen.
Vita aus:
D. Bonhoeffer. Der Weg in den Widerstand von Christian Gremmels und Heinrich W. Grosse ©1996 Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh