Herbert Jehle

Person

Herbert Jehle bereitete sich an der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg auf seine Promotion vor, während Bonhoeffer dort das Studentenpfarramt versehen sollte und auf Desinteresse stieß; einen Anschlag Bonhoeffers entfernte ein Kommilitone dreimal. Doch Jehle besuchte Bonhoeffers Gottesdienste in der Dreifaltigkeitskirche, hörte aus Vorträgen Bonhoeffers die Mahnung zur Gewaltfreiheit heraus – am 4.2.1932 unter Hinweis auf Indien – und wurde zum überzeugten Pazifisten. Er nahm an Lehrveranstaltungen Bonhoeffers an der Friedrich-Wilhelm-Universität Berlin teil. Über Schleiermacher und Hegel sowie über das Verhältnis von Theologie zu Philosophie und den Naturwissenschaften war er mit Bonhoeffer uneins. Aber mit ihm und im studentischen Bonhoefferkreis stritt er gegen die Machtübernahme der Deutschen Christen in der Kirche im beginnenden Dritten Reich. – Zwei Monate vor Bonhoeffers Amtsantritt (am 17.10.1933) als Auslands-Gemeindepfarrer in London ging Jehle zu weiteren Studien nach Cambridge. Von dort aus besuchte er Bonhoeffer an vielen Wochenenden, ging mit in die Gottesdienste und verbrachte Weihnachten 1933 in Bonhoeffers Pfarrhaus. Jehle war einer der deutschen Delegierten zur ökumenischen Jugendkonferenz auf Fanø im August 1934. Im Herbst 1934 hoffte Bonhoeffer noch, durch Jehle bestärkt, auf einen Aufenthalt in Indien, um bei Gandhi zu lernen. Bonhoeffers Theologenausbildung für die Bekennende Kirche im Predigerseminar ab Frühjahr 1935 verstand Jehle als eine praktische Umsetzung der Intention, ein friedensförderndes gewaltfreies gemeinsames Leben einzuüben. Bei einem Besuch Jehles in Finkenwalde warfen Seminaristen ihm wegen seines Pazifismus theologische Naivität vor. Das hielt Bruder Jehle nicht von weiteren treuen Besuchen ab. So erschien er bei der Freizeit 19.-23.10.1936 150 km in dieser Jahreszeit mit Rad, berichtet der 13. Brief aus Finkenwalde den Ehemaligen, und dass Jehle die Brüder einlade, ihn in seiner Wohnung in Berlin zu besuchen. Der 17. Brief, vom 3.3.1937, erwähnt eine berufliche Einladung nach England, der 19. Brief, Jehle habe es dort sehr gut getroffen und biete eventuellen Besuchern fabelhaftes Quartier. Sorgfältig schweigen diese Mitteilungen sich darüber aus, dass es sich um Jehles Emigration aus Deutschland auf Dauer handelt. – Im Sommer  1941 erhielt Bonhoeffer eine durch die Wehrmachtszensur geprüfte Ansichtskarte aus Sevilla vom 6. August. Wie ein Tourist schreibt Jehle, der gerade dem Internierungslager Gurs entkommen ist, von den Schönheiten der Stadt und von seiner Vorfreude auf künftiges wissenschaftliches Arbeiten in Astronomie oder Mathematik. – Im Brief aus der Haft an Bethge vom 19.3.1944 überlegt Bonhoeffer zu Menschen, die immer etwas ‚Gutes‘ tun wollen: Es fiel mir früher zum ersten Mal bei H. Jehle auf: etwas selbstsüchtiger wäre selbstloser!

Quelle:

Bethge, Eberhard: Dietrich Bonhoeffer. Theologe – Christ – Zeitgenosse. Eine Biographie. Gütersloh 92005, 450, 471, 494. Dietrich Bonhoeffer Jahrbuch 2, 2005, 110-121. Die Finkenwalder Rundbriefe, 2013, 203, 217, 223, 318, 347. DBW 8, 359; DBW 12, 27, 110

JEHLE, HERBERT (1907–1983): wurde am 5.3.1907 als Sohn des Generals Julius von Jehle und seiner Frau Maria in Stuttgart geboren. Studium der Ingenieurswissenschaften zuerst an der Stuttgarter, dann an der Berliner Technischen Hochschule, dort 1932 Promotion zum Dr.Ing.; ab Sommer 1933 in Cambridge ein Jahr Studium der theoretischen Physik; 1935–1937 in Deutschland Mitarbeit am Jahrbuch „Fortschritte der Mathematik“; als Forschungsassistent im Frühjahr 1937 nach Southampton, 1938–1940 an die Freie Universität Brüssel, Molekular- und Astrophysik; nach der Besetzung Belgiens (Mai 1940) Verhör durch die Gestapo – kriegsverwendungsunfähig nach Polio-Erkrankung, lehnt Arbeit in der Rüstungsindustrie ab – und Internierung im Lager Gurs am Fuß der Pyrenäen im nicht besetzten Teil Frankreichs; dank des Einsatzes von Sir Arthur Eddington – Astronom, Quäker, mit dem Jehle in Cambridge bekannt wurde – und des Christlichen Studentenweltbunds frei gekommen, über Spanien in die USA; 1942-1966 an der Harvard University, zugleich 1947/48 am Franklin Institute und am Princeton Institute for Advanced Studies, 1947-1949 an der University of Pennsylvania; Professor 1949-1959 an der University of Nebraska, ab 1959 an der George Washington University in Washington, D.C., für Theoretische Physik und Biophysik bis zur Emeritierung 1972; dann Gast an verschiedenen Universitäten und Instituten, auch am Max Planck Institut für Physik in Garching, ab 1977 Gastdozent an der Universität München. Auf der Fahrt zu einer Friedenskonferenz im Zug von Mainz nach Koblenz gestorben am 14. Januar 1983.

Vita aus:

Recherchen Jørgen Glenthøj 1990. Dietrich Bonhoeffer Jahrbuch 2, 2005, 110-112. DBW 16, 132.

Leben und Werk

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