John Baillie

Person

Mit Dietrich Bonhoeffer, so erinnerte sich John Baillie 1957, erreichte Karl Barths Theologie das Union Theological Seminary (UThS) in New York. Dort studierte Bonhoeffer 1930/31; dort hatte Baillie 1930 systematische Theologie zu lehren begonnen. Er achtete aufmerksam auf den zwanzig Jahre jüngeren Fach-Kollegen (Bonhoeffer war in Berlin am 12.7.1930 in systematischer Theologie habilitiert worden). Baillie lud Bonhoeffer zu dem Jahrestreffen der American Theological Society ein, das im UThS am 10./11.4.1931 unter seinem Vorsitz stattfand; das Diskussionsniveau enttäuschte Bonhoeffer maßlos. Baillie sorgte dafür, dass eine Seminararbeit Bonhoeffers bei dem Religionsphilosophen Eugene William Lyman im Journal of Religion 1932 gedruckt wurde ("Concerning the Christian Idea of God"). – Im ganzen akademischen Jahr 1930/31 hielt Baillie zusammen mit Lyman ein philosophisch-theologisches Seminar: Was bedeuten die neuen kosmologischen Theorien für die Theologie? Im zweiten Halbjahr ließ Baillie Bonhoeffer ein einstündiges Referat halten über die "Theologie der Krise" (die Dialektische oder Wort-Gottes-Theologie Karl Barths) und deren Stellung zu Philosophie und Naturwissenschaften. Bonhoeffer meinte, wegen der theologischen Voraussetzungen am UThS wäre "ein Verständnis der Sache [Barths] fast ausgeschlossen". Baillie, der eine liberale Theologie vertrat, fand Bonhoeffer von "Dr. Barth" so überzeugt und Bonhoeffers Kritik am Liberalismus so massiv, wie ihm das noch nie begegnet war. Im Laufe der nächsten Jahre am UThS wurde Baillie selbst zum Fürsprecher des Barthianismus. –  Bonhoeffer unternahm nach Abschluss seiner Londoner Tätigkeit als Auslandspfarrer im Frühjahr 1935 eine Reise zu anglikanischen Klöstern und Ausbildungsstätten. An deren Ende und vor Beginn einer Wanderung durch die schottischen Highlands war er (27.-31. März) in Edinburgh. Dort besuchte er Baillie. – Am 15.6.1939 schrieb Baillie aus Edinburgh an "My dear Dr. Bonhoeffer": Wären Sie bereit, im nächsten Winter die Croal Lectures zu halten? Etwa sechs Vorlesungen über ein theologisches Thema Ihrer Wahl, die später als Buch erscheinen müssen. Frau und Sohn Baillie lassen herzlich grüßen (sie hatten Bonhoeffer offenbar im März 1935 kennen gelernt). Die Ankunft dieses Briefes meldete Bethge aus Hinterpommern am 23.6.1939; Bonhoeffer befand sich noch in New York. Auf Grund von Bethges Beschreibung des Briefinhalts antwortete Bonhoeffer Baillie provisorisch am 22.7. aus London, wo er sich auf der Rückreise aus den USA bei seiner Zwillingsschwester und ihrem Mann Gerhard Leibholz aufhielt (13.-25.7.; die Familie Leibholz war der NS-Rassengesetze wegen 1938 emigriert), und nannte am 30.7.1939 von Berlin aus – nun hatte er Baillies Brief vor sich – das Thema "the death in the christian message". Die Croal Lectures zu halten – welche Ehre! Am besten würde es im Dezember 1939 passen. – Aber zu dem Zeitpunkt herrschte in Europa, seit dem 1. September, Hitlers Krieg.

Quelle:

Bethge, Eberhard: Dietrich Bonhoeffer. Theologe – Christ – Zeitgenosse. Eine Biographie. Gütersloh 20059, 195-197, 479. DBW 10, 189, 252, 265f, 423, 435. DBWE(nglisch) 10, 23, 451, 463, 643. DBW 13, 287; DBW 15, 91, 191, 195, 251, 255, 260f.

BAILLIE, JOHN (1886-1960): wurde in Gairloch, Schottland, geboren; Theologieprofessor ab 1919 in Kanada; ab 1930 Ordinarius für systematische Theologie am Union Theological Seminary in New York, 1930/31 Präsident der Amerikanischen Theologischen Gesellschaft; in Edinburgh ab 1934 Professor und 1950-1956 Rektor des New College; zeitweilig Moderator der Kirche von Schottland; beim Aufbau des Ökumenischen Rates der Kirchen tätig, 1954 Mitglied im ÖRK-Präsidium.

Vita aus:

Kalliope. Verbundkatalog Nachlässe und Autographen. Bethge, Eberhard: Dietrich Bonhoeffer. Theologe – Christ – Zeitgenosse. Eine Biographie. Gütersloh 20059, 194f. Jørgen Glenthøj Recherchen 1990. DBW 10, 252; DBWE(nglisch) 10, 295.

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