Justus Delbrück

Person

Justus Delbrück lebt in Berlin Grunewald in der Nachbarschaft der Bonhoeffers. 1916 zieht die Bonhoefferfamilie in die Wangenheimstraße 14. Seine Schwester Emmi Bonhoeffer erinnert sich an die Kinder- und Jugendzeit im Grunewald. Justus, Max und Emmi Delbrück, die Jüngsten, sind eine verschworene Gemeinschaft. Im Hungerwinter 1917/18 spielen sie draußen Schlagball. Da kommt ein blonder Junge ihres Alters vorbei und fragt: Darf ich mitspielen. Die Antwort: Ja, natürlich! Es ist Dietrich Bonhoeffer. Sie findet heraus, dass die Bonhoefferkinder Musikinstrumente spielen wie sie. So entsteht eine Tradition gemeinsamen Musizierens. Die Bonhoefferkinder waren im Alter dichter beieinander, und so ergab es sich, daß bald drei Delbrücks mit sieben Bonhoeffers befreundet waren. Dazu kamen Hans und Grete von Dohnanyi, Kinder des ungarischen Pianisten und Komponisten Ernst von Dohnanyi, die bei ihrer Mutter aufwuchsen, so daß mein Vater für Hans zur Vaterfigur wurde. (Emmi Bonhoeffer S. 64f).
Emmi Bonhoeffer, geb. Delbrück, erinnert sich an ausgelassene Geselligkeiten im Haus der Bonhoeffers in der Wangenheimstraße. Die Eltern sind verreist. Die Jugend trifft sich in der Wangenheimstraße. Ich sehe noch Justus, der sich musizierenderweise nicht mitbetätigen konnte, ein Metalltablett mit Gabeln und Löffeln im Takt schütteln, während Klaus tanzend, in Shawls gehüllt den Eßtisch umschritt und Dietrich am Klavier moderne Musik persiflierte. Die übrigen sechs oder acht sangen, pfiffen und lachten dazu durch die Zimmer und alle waren allein durch den Lärm restlos befriedigt. (Emmi Bonhoeffer S.23).
In einem Brief vom 20. Juni 1920 aus dem Ferienhaus der Familie Bonhoeffer in Friedrichsbrunn an seinen Bruder Klaus Bonhoeffer erwähnt Dietrich Bonhoeffer eine Ansichtskarte, die er zusammen mit Justus Delbrück und Gerhard Bornitz, Klassenkamerad von Hans von Dohnanyi, von einer Rudertour geschrieben hat. Er fragt, ob Klaus bonhoeffer den Sinn verstanden habe, und fügt hinzu: Wir waren nämlich damals in zu blödsinniger Stimmung. (DBW 9, S. 25). Sie erleben manche Ferien zusammen.
Klaus Bonhoeffer und Justus Delbrück sind enge Freunde. Sie studieren gemeinsam in Heidelberg und Berlin Jura. Neben dem Studium wandern sie viel (s. DBW, 9, S.34). Klaus Bonhoeffer sagt über seinen Freund Justus Delbrück: Verstand und Charakter wachsen selten auf einem Ast. (zitiert bei Emmi Bonhoeffer). Ein leidenschaftliches und ein kontemplatives Temperament hatten sich gefunden., kommentiert Emmi Bonhoeffer diese Freundschaft (Letzte Briefe im Widerstand, S. 43). Klaus Bonhoeffer und Justus Delbrück sind entsetzt über rechtsradikale Tendenzen in der Studentenschaft und bei Professoren. So wird einem Corpsstudenten der Schwaben verboten, seine jüdischen Freunde zu grüßen.
Am 3. September 1930 heiraten Emmi Delbrück und Klaus Bonhoeffer. Zwei Tage später reist Dietrich Bonhoeffer zu seinem einjährigen Studienaufenthalt am Union Theological Seminary nach New York. Dieses Studienvorhaben wird sicherlich auch Gesprächsstoff bei der Hochzeit gewesen sein.
Ab 1940 ist Justus Delbrück Teil des aktiven Widerstandes im Amt Ausland / Abwehr unter Admiral Canaris. Hans von Dohnanyi hatte seinen Freund hierhin einberufen lassen. Aus dieser Zeit gibt es verständlicherweise nur wenig schriftliches Material. In der ausführlichen Zeittafel im Anhang zu Widerstand und Ergebung (DBW 8, S. 723) finden sich Daten zu konspirativen Treffen verschiedenster Art. So auch am 23. Januar 1942 im Venetia mit Moltke, Guttenberg, Klaus und Dietrich Bonhoeffer, drei Tage nach der Wannsee-Konferenz zur Koordinierung der Maßnahmen zur 'ndlösung der Judenfrage und drei Monate vor Dietrich Bonhoeffers Reise mit Moltke nach Norwegen am 10. April 1942.

Quelle:

Bethge, Eberhard / Bethge, Renate, Letzte Briefe im Widerstand, München 1984, S. 39ff.93ff / Emmi Bonhoeffer, Das Haus in der Wangenheimstraße, in: Bonhoeffer Haus Berlin (hg.), Begleitheft zur Ausstellung, 1996, S. 23

DELBRÜCK, JUSTUS: Justus Delbrück ist am 25.11.1902 in Berlin geboren. Er stammt aus einer Gelehrtenfamilie. Sein Vater ist der Historiker Hans Delbrück, Professor für Universalgeschichte und eine zeitlang Reichstagsabgeordneter der Freisinnigen. Seine Mutter ist Lina Delbrück. Er ist einer von sieben Geschwistern. Er gehört zum Kreis der drei jüngeren Geschwister: Justus, Emilie, gen. Emmi und Max. Der Vater Hans Delbrück ist eng mit dem deutsch-preußischen Kaiserreich verbunden, bekennt sich jedoch nach dem verlorenen 1. Weltkrieg klar zur Weimarer Republik. Der junge Justus hängt nicht an vergangene Zeiten.
Justus Delbrück wächst in Berlin-Grunewald auf, wo er die Kinder von Karl und Paula Bonhoeffer kennenlernt. Er geht mit Klaus Bonhoeffer in das Grunewald - Gymnasium. Dort und im gemeinsamen Spiel und Geselligkeiten befreundet er sich auch mit den älteren Brüdern sowie mit Dietrich und den Bonhoefferschwestern. Zum Freundeskreis gehören Hans und Grete von Dohnanyi und später Gerhard Leibholz. 1920 absolviert er sein Abitur. Bis zum Beginn seines Studiums arbeitet er als Bergarbeiter im Ruhrgebiet. Von 1921 – 1928 studiert zeitweise mit Klaus Bonhoeffer Jurisprudenz in Heidelberg und in Berlin. In den Semesterferien ist er aus sozialen Motiven noch einmal im Zwickauer Kohlengebiet tätig. So sehr er die Welt der Bücher schätzt, so will er doch nicht durch Bücher wirken, sondern von Mensch zu Mensch.
1930 heiratet er Ellen von Wahl. Sie haben drei Kinder, Klaus, Felicitas und Gabriele. Nach dem Refrendariat beim Reichsverband der Deutschen Industrie ist er Regierungsassessor in Schleswig. 1933 wird er Regierungsassessor am Landratsamt in Stade, danach Regierungsrat in Lüneburg. Einen Eintritt in die NSDAP 1933 lehnt er ab. Er wird Mitglied der Bekennenden Kirche. 1935 verlässt er den Staatsdienst. Er wird 1936 Referent bei der Reichsgruppe für Industrie. 1939 übernimmt er von Peter Leibholz, Bruder von Gert Leibholz, treuhänderisch die Leitung der Tuchfabrik in Sommerfeld.So wird der Betrieb von Gerts Bruder vor der Arisierung bewahrt.
Justus Delbrück wird zum Kriegsdienst eingezogen und ist seit 1940 im Amt Ausland / Abwehr des OKW unter Admiral Canaris tätig. Dies hat sein Freund Hans von Dohnanyi bewirkt. Er ist im Widerstand aktiv, zusammen mit seinem Freund Klaus Bonhoeffer. Er hat Kontakte zu verschie­denen Widerstandsgruppen, u.a. ab 1941 auch zum Kreisauer Kreis. Nach dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli 1944 wird er am 17. August verhaftet. Er ist inhaftiert im Gefängnis in Berlin-Moabit. Es gelingt, sein Verfahren hinauszuzögern. Es kommt zu keiner Verurteilung. Während der Eroberung Berlins durch sowjetische Truppen kommt er am 25. April 1945 aus dem Gefängnis frei. Am 30. April 1945 schreibt er aus der Marienburger Allee 43, aus dem Luftschutzkeller des Bonhoefferschen Hauses seiner Frau Ellen: Ich bin durch, ich bin wieder da!. Noch weiß er, seine Schwester Emmi und die Bonhoeffereltern nicht, ob Klaus und Rüdiger, ob Dietrich Bonhoeffer und Hans (von Dohnanyi) noch leben, ebenso bei Guttenberg ist's noch ganz ungewiß. (Letzte Briefe im Widerstand, S. 110).
Kurz darauf wird er am 20. Mai von einem sowjetischen Offizier in Haft genommen. Der Grund: er soll Auskunft geben zur Gruppe um Canaris. Er stirbt am 23. Oktober 1945 an einer Diphterieerkrankung im Gefangenenlager Jamlitz bei Lieberose in der Niederlausitz. Zusammen mit Dietrich und Klaus Bonhoeffer, Hans von Dohnanyi und Rüdiger Schleicher u.a. wird an ihn auf dem Dorotheenstädter Friedhof gedacht. Annedore Leber charakterisiert ihn: Mit Herz und Geist, mit Verantwortung und Einsatz gehörte Delbrück dem Kreis des Widerstandes und der Planung für das Nachher an... Der Kompaß für sein Urteil war allein sein Gewissen; doch sorgsame Überlegung und nüchterne Sachlichkeit leiteten sein Verhalten und Handeln. Wesentliche Merkmale seines Charakters waren der Zug zur Versenkung, sein Suchen nach Wahrheit, nach dem Geist Gottes. Daraus erwuchsen Liebe, Verstehen und tiefes Verlangen nach Gerechtigkeit für alle Menschen. Während der Haft traf er die Entscheidung, zum Katholizismus zu konvertieren. (in Letzte Briefe im Widerstand, S. 95)

Vita aus:

Annedore Leber, Justus Delbrück in Eberhard und Renate Bethge (hg.), Letzte Briefe im Widerstand, München 1984 S. 93-96 / Sigrid Grabner / Hendrik Röder, Emmi Bonhoeffer. Essay.Gespräch.Erinnerung, Berlin 2004, S.43ff

Leben und Werk

Bonhoeffer heute

Forschung

ibg