Martin Niemöller

Martin  Niemöller

Martin Niemöller

Martin Niemöller und Dietrich Bonhoeffer begegneten einander 1933 beim Ausbruch des Kirchenkampfes in Berlin. Nachdem in Kirchenwahlen am 23. Juli 1933 die »Glaubensbewegung Deutsche Christen« überwältigend gesiegt hatte, fiel unter maßgeblicher Beteiligung Niemöllers der Beschluss, der »DC«, die sich dem nationalsozialistischen Staat anpasste, mit einem verbindlichen Bekenntnis entgegen zu treten. Im August erarbeiteten Bonhoeffer und der Lutheraner Hermann Sasse in Bethel unter der Autorität Friedrich von Bodelschwinghs einen ersten Entwurf. Die anschließende Überarbeitung stieß auf entschiedene Ablehnung Bonhoeffers. Niemöller ließ sich von anderen Beteiligten zur Veröffentlichung der staatsfreundlicheren Endredaktion des »Betheler Bekenntnisses« drängen. Am 5./6. September 1933 beschloss die »braune« Generalsynode der Evangelischen Kirche der Altpreußischen Union unter anderem, dass Geistlicher nur noch sein könnte, wer rückhaltlos für den Staat einträte und arischer Abstammung wäre. Bonhoeffer sah darin ein Verlassen der Kirche Jesu Christi, in der zwischen deutsch- oder jüdischstämmigen Gliedern kein Unterschied ist. Niemöller war nicht ganz so »radikal«. Aber er setzte mit Bonhoeffer zusammen ein Protestschreiben an die DC-Kirchenregierung auf, das am 7. September an Bodelschwingh ging: Den »Arierparagraphen« (§ 3 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums) in der Kirche einzuführen verletzt das kirchliche Bekenntnis. Dieses Schreiben wurde zur Grundlage der Selbstverpflichtungen des Pfarrernotbundes. Am 14. Oktober 1933 erklärte Hitler den Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund. Niemöller sprach für den Pfarrernotbund telegraphisch dem »Führer« Dank und Gelöbnis treuer Gefolgschaft aus. Damit konnte Bonhoeffer nicht einverstanden sein. Am 24. Oktober 1933 schrieb er an Karl Barth, er sei (am 17.10.) als Auslandspfarrer nach London gegangen, weil er sich gegenüber Pfarrern, »zu denen ich einfach aufsehe«, in einer »radikalen Opposition« bei bleibender persönlicher Beziehung gefühlt habe. – Paula Bonhoeffer, Dietrichs Mutter, setzte verwandtschaftliche Beziehungen ein, um Niemöller im Januar 1934 eine Audienz beim Reichspräsidenten Paul von Hindenburg zu erwirken. Was bei Hindenburg »eingefädelt« worden war gegen den seit September 1933 als Reichsbischof amtierenden Schirmherrn der DC Ludwig Müller, teilte Niemöller telefonisch dem Theologen Walter Künneth mit. Am 25. Januar 1934 empfing Hitler die Kirchenführer der Deutschen Evangelischen Kirche. Zu Beginn des Empfangs verlas Göring den Wortlaut von Niemöllers Telefongespräch, das er hatte abhören lassen. Hitler: Das ist ganz unerhört. Rebellion. Niemöller: Wir sind doch alle begeistert für das Dritte Reich. Hitler: Einwände gegen den Reichsbischof? Die Kirchenführer schwiegen. Nach dem Empfang äußerte Niemöller, es bestehe kein Anlass, mit dem Ergebnis »unzufrieden« zu sein. (Durch den Reichsbischof wurde er am 27.1.1934 vorläufig beurlaubt und am 10.2. amtsenthoben.) Bonhoeffer schrieb am 28.4.1934 aus London dem Schweizer Erwin Sutz, vielleicht liege es im Interesse des Kirchenkampfes, dass Leute wie Niemöller immer noch glaubten, »die wahren Nationalsozialisten« zu sein. – Am 30.7.1935 richtete Niemöller einen Aufruf »An unsere Brüder im Amt«, über den Bonhoeffer »sehr froh« war: zu den Beschlüssen der Reichsbekenntnissynoden von 1934 zu stehen, Verkündigung und Lehre (Barmen 29.-31. Mai) und Gestalt und Ordnung (Dahlem 19./20. Oktober) der Kirche allein auf das eine Wort der Offenbarung Gottes in Jesus Christus zu gründen. Jetzt musste nicht mehr nur innerkirchlich bekannt, sondern staatlichen Gesetzen, die in das Leben der Kirche eingriffen, widerstanden werden. Die in Barmen und Dahlem konstituierte Bekennende Kirche galt in der deutschen Öffentlichkeit geradezu als Niemöller-Bewegung, und Bonhoeffer half mit, dass auch in der Ökumene Niemöller als der offizielle Vertreter dieser Kirche angesehen wurde. – Am 1. Juli 1937 betraten Bonhoeffer und Bethge nichts ahnend Niemöllers Haus in Berlin-Dahlem, Cecilienallee 61, aus dem die Gestapo Niemöller soeben abgeführt hatte. Sie und weitere Anwesende wurden unter Hausarrest gestellt, bis nach sieben oder acht Stunden die Hausdurchsuchung beendet war. Gegen Niemöllers Verhaftung protestierte die Gemeinde am 8. Juli mit einer Straßendemonstration. Bonhoeffers Gedanken gingen immer wieder zu dem Gefangenen (und seiner Frau Else) hin. Bonhoeffer trug in das für Niemöller bestimmte Exemplar seiner »Nachfolge« im Advent 1937 ein: »Ein Buch, das er selbst besser schreiben könnte als der Verfasser«. In der Lehrveranstaltung im Sammelvikariat im Sommerkurs 1938 zum Brief des gefangenen Paulus an Timotheus (2Tim 1) erinnerte er an das »Mitleben« mit dem anderen – »(Niemöller)« – »in der völligen Abgeschlossenheit des Gefängnisses«. Als Niemöller sich bei Ausbruch des Krieges 1939 aus dem Konzentrationslager freiwillig zur Marine melden wollte, riet Bonhoeffer zu diesem zwielichtigen aber möglicherweise lebensrettenden Verhalten. Am 1. Juli 1944 schrieb Bonhoeffer, nun selber im Gefängnis, an Bethge: »Heute vor 7 Jahren waren wir bei Martin!«

Quelle:

Bethge, Eberhard: Dietrich Bonhoeffer. Theologe – Christ – Zeitgenosse. Eine Biographie. Gütersloh 92005, 348-350, 359, 363f, 377, 399, 401, 403, 405, 433, 500, 665f, 748. DBW 8, 505; DBW 12, 123; DBW 13, 13, 49, 79, 84, 99, 108, 128; DBW 14; DBW 16

 NIEMÖLLER, MARTIN (1892-1984): wurde am 14.1.1892 geboren. Er war im ersten Weltkrieg Offizier bei der Marine, zuletzt U-Boot-Kommandant. 1919 Heirat mit Else Bremer (Sohn: Jan). 1919-1924 theologische Ausbildung, zwischendrin politisches Engagement als Freikorpskämpfer. 1924 Ordination; dann Geschäftsführer der Inneren Mission in Münster; 1931 Pfarrer in Berlin-Dahlem. Friedrich von Bodelschwingh, Leiter der Betheler Anstalten, am 27.5.1933 zum Reichsbischof gewählt (er legte am 4.6.1933 das Amt unter Protest gegen die staatlichen Eingriffe in die Kirche nieder), zog ihn zu besonderer Assistenz heran.  Niemöller wurde einer der aktivsten Mitstreiter im deutschen Kirchenkampf. 1933 Mitbegründer und Leiter des Pfarrernotbundes. 1.7.1937 verhaftet, im Untersuchungsgefängnis Berlin-Moabit; 7.2.1938 Beginn des Prozesses (unter anderem wegen »Aufforderung zum Ungehorsam gegen staatliche Anordnungen«), 2.3.1938 Urteil, das einem Freispruch gleichkam; Hitler verlangte erneute Verhaftung, das Kabinett stimmte nicht zu, Niemöller, zum »persönlichen Gefangenen« Hitlers erklärt, kam ins KZ Sachsenhausen, im Juli 1941 ins KZ Dachau, wo er einen Wohnraum mit zwei, ab April 1942 drei katholischen Amtsbrüdern teilte. Im Oktober 1943 wählte der Bruderrat der Bekennenden Kirche der Altpreußischen Union Niemöller trotz der KZ-Haft zum Vorsitzenden. Das Reichssicherheitshauptamt ordnete Anfang April 1945 einen Transport an, der prominente Häftlinge aus Flossenbürg und Schönberg und aus Dachau auch Niemöller holte und sie über die Alpen nach Italien in amerikanischen Gewahrsam brachte. Im August 1945 wurde Niemöller Leiter des Kirchlichen Außenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland und Mitglied des Rates der EKD bis 1956; 1947-1964 Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. 1957 übernahm er die Präsidentschaft der Deutschen Friedensgesellschaft. 1961-1968 war er einer der Präsidenten des Ökumenischen Rates der Kirchen. Er starb am 6.3.1984.

Vita aus:

u.a. D. Bonhoeffer. Der Weg in den Widerstand von Christian Gremmels und Heinrich W. Grosse ©1996 Gütersloher Verlagshaus, GüterslohKalliope. Verbundkatalog Nachlässe und Autographen.

Leben und Werk

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