Reinhold Niebuhr

Reinhold Niebuhr, Professor for applied Christianity am <q>Union Theological Seminary</q> in New York

Reinhold Niebuhr, Professor for applied Christianity am Union Theological Seminary in New York

Quelle:

Bildbiografie Dietrich Bonhoeffer. Bilder aus seinem Leben, herausgegeben von Eberhard Bethge, Renate Bethge und Christian Gremmels, © Gütersloher Verlagshaus GmbH, Gütersloh 2005

Im akademischen Jahr 1930/31 war Dietrich Bonhoeffer einer der drei europäischen Stipendiaten – zusammen mit dem Schweizer Erwin Sutz und dem Franzosen Jean Lasserre – am Union Theological Seminary in New York (September 1930 bis 20.6.1931). Dort lehrte seit 1928 Reinhold Niebuhr. Bonhoeffer nahm teil an Niebuhrs Lehrveranstaltungen zu Religion und Ethik und zu moderner Literatur. Niebuhr begutachtete Bonhoeffers Seminararbeiten kritisch (er mache Gnade zu transzendent; Gehorsam gegen den Willen Gottes müsse sich »ethisch« in sozial relevantem Verhalten äußern). Bonhoeffer beschrieb in seinem Studienbericht Niebuhr als Repräsentanten der »radikalsten Sozialisierung« des Christentums. Am Seminar kamen auf einen Lehrenden nur acht Studierende. Bonhoeffer, Sutz und der Russlanddeutsch-Amerikaner Paul Lehmann nahmen Anteil an Niebuhrs Heiratsplan, gegen den seine Mutter rebellierte. Am 6.2.1933 schrieb Bonhoeffer aus Berlin an Niebuhr (den er um eine Empfehlung an seine Frau Mutter bat), es ließe sich nicht bestreiten, dass wir »in einer unheimlich interessanten Zeit leben«. Am 4.4.1933 gab Lehmann Bonhoeffer in Berlin Niebuhrs 1932 erschienenes Buch »Moral Man and Immoral Society«. Er lese es »mit größtem Interesse«, steht im Brief Bonhoeffers vom 13.7.1934, in dem er, nunmehr Auslandspfarrer in London, Niebuhr um Hilfe in »Emigrantenangelegenheiten« ersuchte, besonders für einen Schriftsteller, der eine »furchtbare Zeit im Konzentrationslager« hinter sich habe. Am 3.4.1939 besuchte Bonhoeffer in Sussex Niebuhr, der in diesem Jahr in Großbritannien die renommierten »Gifford Lectures« hielt. Sobald Niebuhr gehört hatte, dass Bonhoeffer die Einberufung zum Wehrdienst bevorstehe, alarmierte er Kollegen in Amerika: Bonhoeffer muss aus Deutschland herausgerettet werden, sonst wird er wegen Wehrdienstverweigerung im Gefängnis oder Konzentrationslager landen. Er erwirkte »formidable« Einladungen in die USA für Bonhoeffer. Der kam am 12. Juni in New York an; aber am 20. Juni hatte er sich zu der Entscheidung durchgerungen, nicht zu bleiben, und verließ New York am 8. Juli. Niebuhr reagierte am 8. Juli, in einem Brief aus Sussex an Paul Lehmann, auf die Nachricht von Bonhoeffers Abreise geradezu schockiert. Den Brief, den Bonhoeffer noch in New York Ende Juni an ihn richtete, wird Niebuhr später erhalten haben. (Nach Amerika zu kommen war ein Fehler; »die Prüfungen dieser Zeit« »muss ich bei den Christenmenschen Deutschlands durchleben«; die Wahl zwischen Niederlage ihrer Nation oder Zerstörung unserer Zivilisation kann ich nicht treffen »in Sicherheit«.) In den letzten Tagen in New York hatte Bonhoeffer Niebuhrs 1935 erschienenes Buch »An Interpretation of Christian Ethics« gelesen; die »Darstellung der Unanwendbarkeit der sogenannten christlichen Prinzipien auf das Leben, Politik etc.« sei noch das Beste. Im August 1939 würdigte Bonhoeffer in seiner Rückschau auf die Erfahrungen im Juni/Juli Niebuhr als einen »der bedeutendsten und schöpferischsten heutigen Theologen Amerikas«. Als er im Herbst 1940 mit dem ersten Manuskript zu seiner »Ethik« begann, wies er die »Scheidung von Individuum und Gesellschaft«, die Niebuhr mit den Begriffen »moral man« und »immoral society« vorgenommen habe, zurück und bezeichnete das, was »heute« [im Dritten Reich?] »Sozialethik« genannt werde, als »vollendete ethische Aporie«.

Quelle:

Bethge, Eberhard: Dietrich Bonhoeffer. Theologe – Christ – Zeitgenosse. Eine Biographie. Gütersloh 92005, 194, 198, 318, 719f, 732. DBW 6, 36; DBW 10, 265, 423, 642; DBW 12, 51; DBW 13, 169-171; DBW 15, 168f, 178, 210, 216, 228, 232, 240, 458, 644; DBW 17

NIEBUHR, REINHOLD (1892-1971): wurde am 21.6.1892 in Wright City, Montana, als Sohn deutscher Einwanderer geboren. 1914 erwarb er an der Yale Divinity School den Bachelor (B.D.), 1915 den Master-Titel (A.M.). 1915 Ordination in der Evangelical Synod of North America. 1915-1928 Pfarrer einer Arbeitergemeinde in Detroit. Am Union Theological Seminary in New York 1928-1930 Associate Professor (1930 Doctor of Divinity Eden Theological Seminary/St. Louis), 1930-1960 Professor für Religionsphilosophie/»Applied Christianity«. 22.12.1931 Heirat mit Ursula Mary Keppel-Compton (geboren 3.8.1907 in Southampton). 1936 D.D. Grinnell College. 1939 »Gifford Lectures« an der Universität Edinburgh. 1945 L.L.D. Occidental College/Los Angeles; 1946 D.D. Princeton University; 1951 Litt.D. New School for Social Research; 1954 DD. Manchester University. Er starb am 1.6.1971 in Stockbridge, Massachusetts.

Vita aus:

RGG 3. Auflage. Jørgen Glenthøj, Recherchen 1990. Bethge, Eberhard: Dietrich Bonhoeffer. Theologe – Christ – Zeitgenosse. Eine Biographie. Gütersloh 92005, . Kalliope. Verbundkatalog Nachlässe und Autographen.

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