Theodor Heckel

Person

Dietrich Bonhoeffer und Theodor Heckel begegneten sich in Berlin als Ökumeniker und zeigten Interesse aneinander. Dass Bonhoeffer nach der Theologischen Konferenz der Mittelstelle für ökumenische Jugendarbeit (Bonhoeffer war Sekretär dieser Stelle) am 29./30.4.1932 im Kirchenbundesamt (Heckel war in diesem Amt Oberkonsistorialrat) Hilfe für den Konferenz-Bericht „mit verehrungsvollsten Grüßen“ von Heckel erbat, war keine höfliche Floskel. Mitte 1933 drängten zwei Londoner Auslandsgemeinden den zuständigen Dezernenten Heckel, ihnen einen Nachfolger für den scheidenden Pfarrer Friedrich Singer zu schicken; diesem schrieb Heckel am 19.7.1933, es stehe ein „jüngerer Geistlicher zur Verfügung“, „der mir persönlich ganz ausgezeichnet gefällt“. Auch das war aufrichtig gemeint. 

Am 17.10.1933 sollte Bonhoeffer in London sein Pfarramt antreten. Am 27.9.1933 wurde der in Wittenberg tagenden Nationalsynode der Deutschen Evangelischen Kirche (DEK) ein von Bonhoeffer mit formulierter Protest gegen die Gesetzgebung der neuen, von der Glaubensbewegung Deutsche Christen (DC) dominierten Kirchenregierungen eingereicht (Geistlicher kann nur noch sein, wer rückhaltlos für den nationalsozialistischen Staat eintritt und arischer Abstammung ist, hatte in Berlin am 5./6.9.1933 die Generalsynode der Altpreußischen Union  dekretiert).

Kurz vor der Ausreise wurde Bonhoeffer zum Reichsbischof gerufen; danach stellte ein von Heckel verfasstes und von Bonhoeffer gebilligtes Ergebnisprotokoll klar, dass Bonhoeffer im Ausland nicht die Sache der DC vertreten würde. Heckel geriet darüber mit seinen kirchlichen Vorgesetzten in „einen fürchterlichen Sturm“. Am 8./9. Februar 1934 besuchte Heckel mit zwei weiteren DEK-Vertretern in London eine Konferenz der deutschen evangelischen Pfarrer in Großbritannien. Das Tauziehen (Heckels gegen Bonhoeffer) um die Stellung der auslandsdeutschen Gemeinden zum DC-nahen Reichsbischof mit kirchenpolitisch-taktischen und juristischen Argumenten war in vollem Gange. Anfang März zitierte Heckel, seit kurzem Bischof, Bonhoeffer nach Berlin und legte ihm einen Revers vor, sich „von jeglicher ökumenischer Betätigung zu enthalten“. Bonhoeffer unterschrieb nicht; da „bin ich bockig“. Bei der Ökumene-Konferenz auf Fanø trug Heckel am 25.8.1934 eineinhalb Stunden lang zur ökumenischen Arbeit vor und kam an weiteren Tagen mit Referaten zu Wort. Seinen ersten Vortrag charakterisierte die „Times“ als „brillanten Aufstieg in die Stratosphäre der reinen christlichen Lehre“. Spätere Äußerungen erschienen einem Beobachter „konfus und offenbar aus dem Stegreif“. Am 28.8. mahnte Bonhoeffer eindrücklich zum Hören auf „Gottes Ruf zum Frieden“. Bischof Bell von Chichester, Präsident des Ökumenischen Rates für Praktisches Christentum, der sich von Bonhoeffer beraten ließ, brachte die Konferenz am 30.8. zu einer Resolution, die ausdrücklich für die Bekennende Kirche in Deutschland Stellung bezog; Bonhoeffer und ein leitender BK-Angehöriger wurden in den Ökumenischen Rat kooptiert, Heckel nicht. 

Am 16.11.1934 richtete Helmut Rössler aus Heerlen / Niederlande an seine Auslandspfarrer-Kollegen einen Appell: Gegenüber Bischof Heckels Kirchlichem Auslandsamt müssen wir uns (noch) nicht „zwischen D.C.-Kirche und Bekenntniskirche" entscheiden, Geschlossenheit tut not. Bonhoeffer antwortete aus London am 20.11. seinem Studienfreund Rössler, die Entscheidung habe fallen müssen, es gäbe keine Gemeinschaft mehr. „Ich habe mit Heckel einmal fast freundschaftlich gestanden – darum schmerzt mich diese ganze Sache doppelt. Er tut mir menschlich manchmal unendlich leid.“ „Selbstverständlich“ habe er den Rundbrief „im Einvernehmen mit Heckel“ geschrieben, erklärte Rössler am 6.12. Bonhoeffer; auf dem Durchschlag dieses Briefes ist notiert: „Meine (schmerzliche) Trennung von D. Bonhoeffer im Kirchenkampf“. 

Vom April 1935 an leitete Bonhoeffer das Berlin-Brandenburger Predigerseminar der BK. Der zweite Halbjahreskurs reiste vom 29.2. bis 10.3.1936 auf Einladung des schwedischen ökumenischen Ausschusses nach Dänemark und Schweden. Unter Hinweis auf diese „Schwedenreise“ regte Heckel am 7.3. die Nicht-BK-Kirchenleitung an, sich von Bonhoeffer (verdächtig als „Pazifist und Staatsfeind“) deutlich zu distanzieren und etwas zu unternehmen, damit er nicht länger deutsche Theologen erzieht. Die letztere Anregung nahm das Reichserziehungsministerium auf und entzog am 5.8.1936 Bonhoeffer  die Lehrbefugnis an der Berliner Universität. 

Auf dem ökumenischen Felde besiegte Heckel die BK (somit auch Bonhoeffer): Zu kirchlichen Konferenzen im Ausland kamen nach dem Februar 1937 deutsche Delegierte, solange es noch möglich war, nur noch aus Heckels Kirchlichem Außenamt. – So wie Heckel sich im November 1934 vom Reichsbischof distanziert hatte (Ludwig Müller verschwand 1935 aus seinem Amt), so rückte er im Juli 1941 vom nationalsozialistischen Staat ab: Er zeigte „klare Erkenntnis“ für den „Willen der Partei, die Kirchen zu zerschlagen“. Als Bonhoeffer Ende Mai 1942 in Schweden Bischof Bell vom Stand der Konspiration gegen Hitler berichtete, sprach er von Heckel als einem „regelrechten Seismographen“ – er reagiert, wenn der Boden zu schwanken beginnt.

Quelle:

Quelle: Bethge, Eberhard: Dietrich Bonhoeffer. Theologe – Christ – Zeitgenosse. Eine Biographie. Gütersloh 92005, 409, 424, 443f, 459, 581, 585, 635, 823. DBW 11, 94f, DBW 12, 102, 145-147, DBW 13, 22, 94-108, 127f, 197, 203, 235, 238-241, 253, 298

HECKEL, THEODOR (1894-1967): wurde am 15.4.1894 in Kammerstein / Mittelfranken geboren. 1921 Ordination zum Pfarrer;  1922 Reiseprediger in Solln bei München; 1925 Studienrat an der Lehrerinnenbildungsanstalt in Erlangen; 1928 Oberkonsistorialrat im Deutschen Evangelischen Kirchenbundesamt in Berlin. Teilnehmer der Nationalsynode in Wittenberg am 27.9.1933, die Ludwig Müller zum Reichsbischof wählte. Am 21.2.1934 zum Auslandsbischof mit Amtskreuz ernannt (Heckel nahm als einziger nicht der Glaubensbewegung Deutsche Christen angehöriger Bischof an der Amtseinführung des Reichsbischofs am 23.9.1934 im Berliner Dom teil); Leiter des 1934 errichteten Kirchlichen Außenamtes bis August 1945 (nach Heckels Amtsentbindung übernahm Martin Niemöller die Leitung); 1939–1945 Leiter des Evangelischen Hilfswerks für Internierte und Kriegsgefangene. 1950–1964 Dekan in München. Er starb in München am 24.6.1967.

Vita aus:

Bethge, Eberhard: Dietrich Bonhoeffer. Theologe – Christ – Zeitgenosse. Eine Biographie. Gütersloh 92005, 453. D. Bonhoeffer. Der Weg in den Widerstand von Christian Gremmels und Heinrich W. Grosse ©1996 Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh.

Hans  SchönfeldBruno  Schröder

Leben und Werk

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