Valdemar Ammundsen

Person

Es lag am dänischen Bischof Ammundsen, dass Dietrich Bonhoeffers Stimme in der Ökumene Gewicht bekam. Als Präsident der Jahrestagung 1931 des Weltbundes für Freundschaftsarbeit der Kirchen hatte er uneingeschränkte Mitwirkung der Jugenddelegierten durchgesetzt. Bonhoeffer reiste als Mitglied der deutschen Jugenddelegation nach England. Schon bei der vorgeschalteten Studentenkonferenz könnte er Ammundsens Tochter Esther getroffen haben (er erwähnt sie in Briefen an den Bischof). Die Jugendkonferenz in Cambridge (29-31.8.) schlug vor, drei ehrenamtliche Jugendsekretäre zu ernennen; während der Hauptkonferenz (1.-5.9.) wurden am 4.9.1931 die Drei bestätigt; der Jugendsekretär für Nord- und Mitteleuropa war Bonhoeffer. In diesem Amt arbeitete er in der Ökumene mit, bis er im Februar 1937 ausschied. – Unter Ammundsens Vorsitz tagte das erweiterte Exekutivkomitee des Weltbunds, dreißig Personen, vom 15. bis 20.9.1933 in Sofia. Bonhoeffer war eingeladen als vorgesehener Redner auf der für 1934 geplanten großen ökumenischen Konferenz. Am 20. September stand der Punkt Rassische Minderheiten auf der Tagesordnung. In der Nacht zuvor kamen in Bonhoeffers Hotelzimmer Ammundsen und fünf weitere leitende Ökumeniker zusammen, und Bonhoeffer sprach offen über den rabiaten Umgang mit der "Judenfrage" in Deutschland. Mehrere Stunden lang beriet man betroffen und endete mit Gebet; "Bonhoeffer très ému", notierte sich einer der Franzosen. Am 20.9. debattierte das Plenum einen von Bonhoeffer vorgelegten Text. Dabei war Ammundsen "so ergriffen, dass ihm die Tränen nahe waren", beobachtete ein Teilnehmer. Die Resolution wurde verabschiedet; ihr Inhalt – staatliche und kirchliche Maßnahmen gegen Nichtarier in Deutschland verleugnen Lehre und Geist des Evangeliums – konnte durchaus feindselige Reaktionen gegen ihre Befürworter auslösen. In einem kurzen Brief aus Berlin versicherte Bonhoeffer am 10.10.1933 dem Bischof beruhigend, "es geht mir gut". Am 15.10. fuhr er nach London, am 17.10. trat er das Auslandspfarramt dort an. Das Kirchliche Außenamt beobachtete ihn von Berlin aus misstrauisch. – Auf der dänischen Nordseeinsel Fanø sollte am 22.8.1934 die Jugend-, am 24.8. die Hauptkonferenz des Ökumenischen Rates für Praktisches Christentum und des Weltbundes beginnen. Ende Mai 1934 hatte sich durch die Reichsbekenntnissynode von Barmen die Bekennende Kirche (BK) gebildet. Die in Genf tätigen Organisatoren für Fanø sahen nur die Delegation der vom NS-Staat anerkannten Reichskirche in Deutschland vor. Bonhoeffer war drauf und dran, den Auftrag zurückzugeben, als Jugendsekretär für den Weltbund zu reden. Ammundsen bewog ihn, doch teilzunehmen (sonst wäre Bonhoeffers Ansprache am 28.8. – "Es gibt keinen Weg zum Frieden auf dem Weg der Sicherheit" – nicht gehalten worden). Bonhoeffer drängte Ammundsen, der Weltbund möge auf Fanø eine noch weiter gehende Resolution als in Sofia fassen, da in Deutschland "die Entscheidung vor der Tür steht: Nationalsozialist oder Christ". Tatsächlich beschloss die Versammlung am 30.8.: Die ökumenische Bewegung wird mit der Bekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche enge Gemeinschaft halten. Im Juni/Juli 1935 würdigte Bonhoeffer im Aufsatz "Die Bekennende Kirche und die Ökumene" das Geschehen: Glieder der BK und dem NS-Regime angepasste Kirchenleute können nicht Gesprächspartner bei einer ökumenischen Konferenz sein, das hat die Ökumene auf Fanø verstanden. "Es war einer der großen Augenblicke der Konferenz, als Bischof Ammundsen" seine Stimme erhob "für die abwesenden Vertreter der Bekennenden Kirche". – Die Teilnehmer des Winterkurses 1935/36 im Predigerseminar Finkenwalde, das Bonhoeffer seit Ende April 1935 leitete, wünschten sich an Bonhoeffers 30. Geburtstag (4.2.1936) eine Reise nach Schweden. Bonhoeffer mobilisierte sein Amt als Jugendsekretär, und die Weltbund-Angehörigen in Nordeuropa reagierten sofort. Vom 29.2. bis 10.3. erlebten 26 junge BK-Theologen mit Bonhoeffer die Gastfreundschaft in den lutherischen Kirchen Dänemarks und Schwedens. Am Sonntag, 1.3.1936, waren sie in Kopenhagen. Ammundsen kam aus Haderslev dorthin, um sie zu begrüßen. – Im Brief aus Finkenwalde vom 18.12.1936 an die ehemaligen Kursteilnehmer schrieb Albrecht Schönherr: Als wir vom Tod Bischof Ammundsens (2.12.) hörten, gedachte Bonhoeffer in der Andacht "besonders seines Eintretens für die BK in Fanø. Er war einer der wenigen, der in der Ökumene ganz den Kampf der Kirche Christi sahen, wie er ist". Die Schwedenreisenden "werden sich noch des Wortes Bischof Ammundsens in Kopenhagen erinnern: Es gibt immer aus jeder Not und in jedem Kampf einen Weg, den Gott allein weiß".

Quelle:

Bethge, Eberhard: Dietrich Bonhoeffer. Theologe – Christ – Zeitgenosse. Eine Biographie. Gütersloh 20059, passim. DBW 11, 128f; DBW 12, 134f, 148f; DBW 13, 164, 167f, 179f, 186, 300; DBW 14, 392. Die Finkenwalder Rundbriefe, Gütersloh 2013, 244.

AMMUNDSEN, OVE VALDEMAR (1875-1936): wurde am 19.8.1875 in Pjedsted geboren; Studium der Theologie bis 1899; 1901-1923 Professor für Kirchen- und Dogmengeschichte an der Universität in Kopenhagen; 1923-1936 Bischof von Haderslev, Nordschleswig. Mitglied des Ökumenischen Rates für Praktisches Christentum, seit 1919 Mitglied des Weltbundes für Freundschaftsarbeit der Kirchen, 1935 dessen Präsident. Er bemühte sich um den Ausgleich der nationalen Gegensätze zwischen Deutschen und Dänen. Die Bekennende Kirche in Deutschland versuchte er zeit seines Lebens zu unterstützen. Er starb in Haderslev am 2.12.1936.

Vita aus:

Kalliope. Verbundkatalog Nachlässe und Autographen. Bethge, Eberhard: Dietrich Bonhoeffer. Theologe – Christ – Zeitgenosse. Eine Biographie. Gütersloh 20059, 635. Jørgen Glenthøj Recherchen 1990.

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