Die Geschichte der Sturmstillung ist eine schöne, aber auch unfassbar aufregende Erzählung.
Schön ist sie vom Ende her betrachtet. Die Wellen und der Sturm legen sich auf Jesu Befehl hin und ich stelle es mir unglaublich still vor, wenn alles auf einmal zur Ruhe kommt.
Aufregend ist diese Geschichte von dem her, was Jesus erwartet: Bei Sturm und Wellen keine Angst haben…als ob das so einfach möglich wäre.
Hand aufs Herz: Wer von uns hätte nicht genauso Angst wie die Jünger? Ich auf jeden Fall!
Jesus ist in der Erzählung der Ruhepol und Fels in der Brandung für die Jünger. Er ist es, der mit einem unglaublichen Gottvertrauen schläft und sich nicht aus der Ruhe bringen lässt.
Klar ist, dass diese Erzählung ein lebendiges Bild ist für die Herausforderungen unseres Lebens, vor allem in Zeiten von Unsicherheiten und Bedrängnis. Wir leben in einer Welt, die von politischen, sozialen und ökologischen Stürmen erschüttert wird.
Dietrich Bonhoeffer schrieb 1933 in seiner Predigt zur Sturmstillung: „Die Furcht ist im Schiff, in Deutschland, in unserem eigenen Kirchenschiff – die nackte Furcht vor der nächsten Stunde, vor dem morgen und übermorgen. Darum werden wir stumpf. Darum jammern wir. Darum berauschen wir uns an diesem und jenem. [...] Die Furcht sitzt dem Menschen im Nacken. Aber nun gilt auch das andere. Wo Christus im Schiff ist, da beginnt es immer zu stürmen. Da greift die Welt mit allen bösen Mächten nach ihm.“
Dietrich Bonhoeffer, ein Mann des Glaubens und des Widerstandes, lebte diesen Glauben in einer Zeit des gewaltigen Sturms. In den Jahren des Nationalsozialismus stand Bonhoeffer gegen die ideologischen Wellen an, die das Land überfluteten. Doch er tat dies nicht aus politischen Erwägungen allein, sondern aus einem tiefen, christlichen Verständnis von Glaube und Verantwortung.
Bonhoeffer wusste, dass der christliche Glaube eine wesentliche Quelle des Widerstandes sein kann – nicht als Handeln aus Rache oder Hass, sondern als gelebte Liebe und Gerechtigkeit. Er wusste, dass Glaube nicht bedeutet, sich vor der Dunkelheit zu verstecken, sondern in der Dunkelheit ein Licht zu sein.
Wie Jesus im Sturm, so stellte Bonhoeffer sich dem Unrecht entgegen, und er tat dies aus dem festen Vertrauen, dass Gott auch im Angesicht des Bösen an unserer Seite steht.
Er war überzeugt, dass der Glaube an Jesus Christus auch in den finstersten Zeiten der Geschichte einen klaren Weg zeigt.
Wie Jesus, der den Sturm stillte, so können auch wir den Mut finden, inmitten des Sturms der Ungerechtigkeit und der Verzweiflung für das Gute einzutreten – nicht durch Gewalt, sondern durch den festen Glauben an die Liebe und Wahrheit Gottes.
Wir sind inmitten mehrerer Stürme. Die politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen der heutigen Zeit, die Aufrüstung, die Spaltung der Gesellschaft und die Bedrohung der Demokratie sind nur einige der vielen Winde, die wehen.
Doch genau wie Jesus in der Stille des Sturms Vertrauen fordert, fordert uns auch unser Glaube heute heraus:
Vertrauen wir darauf, dass Gott in allem wirkt, auch in der Dunkelheit?
Haben wir den Mut, uns gegen das Böse zu stellen, auch wenn der Wind gegen uns weht?
Bonhoeffer sagte:
„Glaube ist die Entscheidung, im Vertrauen auf Gott zu handeln, auch wenn alles gegen uns spricht.“
Haben wir also den Mut uns für andere Gruppierungen einzusetzen, die an den Rand gedrängt und diskriminiert werden?
Haben wir den Mut dazu zu stehen, das Asylrecht ein Menschenrecht ist und die Würde des Menschen unantastbar ist?
Schaffen wir es für unser Zusammenleben, unseren Werten und der Demokratie einzustehen und gegen harte und pauschalisierende, spaltende Parolen und anderen Stürmen einzustehen und zu verteidigen?! Ich hoffe es sehr!
Für Bonhoeffer war es der christliche Glaube, der die Grundlage seines Widerstandes bildete.
Er glaubte fest daran, dass das Christentum eine klare moralische Verantwortung in der Welt verlangt – nicht nur in der Kirche, sondern in der Gesellschaft.
Der Glaube, der den Sturm stillt, ist der gleiche Glaube, der uns befähigt, gegen das Unrecht zu kämpfen. Bonhoeffer schrieb auch: „Die Kirche muss sich von der Welt nicht abwenden, sondern sich in der Welt für die Gerechtigkeit und die Liebe Gottes einsetzen.“
Inmitten des politischen Chaos, der gesellschaftlichen Unruhe und des Drangs nach Macht und Kontrolle sind es Momente der Ruhe, die uns zur Besinnung führen können. Diese Ruhe ist nicht passiv.
Sie erfordert einen aktiven Glauben – einen Glauben, der uns herausfordert, gegen das Unrecht und die Dunkelheit der Welt anzukämpfen.
Der Glaube an Jesus Christus ist die Quelle des Widerstandes – ein Widerstand, der aus der tiefen Überzeugung kommt, dass Gott die Welt liebt und dass wir alle, als seine Nachfolger*innen, nicht schweigen dürfen, wenn Unrecht geschieht.
So wie Bonhoeffer, so sind auch wir berufen, unser Leben in den Dienst des Widerstandes gegen das Böse und für die Gerechtigkeit zu stellen.
Der christliche Glaube ist nicht nur eine Quelle der Ruhe im Sturm, sondern auch eine Quelle der Kraft.
Jesus Christus sagt immer wieder: Hab keine Angst. Ich bin bei dir alle Tage deines Lebens. Er kann unser Fels in der Brandung, unser Ruhepol sein, wenn wir uns darauf einlassen.
Dietrich Bonhoeffer hat uns ein Beispiel gegeben, das über seine Zeit hinausreicht.
Er hat uns gezeigt, dass der Glaube nicht nur in Kirchengebäuden lebt, sondern mitten im Leben, im Widerstand gegen das Unrecht,
im Widerstand gegen rechte Parolen und der Machtgier mancher Menschen,
im Streben nach einer besseren Welt.
Dieser Glaube ruft uns dazu auf, den Sturm nicht zu fürchten, sondern mit festem Vertrauen und mutigem Handeln auf das zu blicken, was Jesus uns vorlebt: das Leben und den Frieden, den er in die Welt bringen will.
Christus, Gott selbst, sitzt mit uns in diesem Boot. So schreibt Bonhoeffer am Ende seiner Predigt zur Sturmstillung: Christus wird immer auf den sehen, der mit ihm im Schiff ist und alsbald aufstehen und das Meer bedrohen, dass es ganz still wird.
Möge auch unser Vertrauen in Gott, in Jesus Christus uns die Kraft geben, den Stürmen unserer Zeit zu begegnen – nicht mit Angst, sondern mit Hoffnung und mit dem festen Wissen, dass der, der die Winde beruhigen kann, auch uns in unserem Leben stärkt.
Seien wir einander ein Licht in dunklen Zeiten. So schließe ich mit Worten Bonhoeffers:
Geborgen im Glauben, gehalten von Gott, getröstet durch sein Wort.
Für das, was uns ermüdet, uns kränkt und mutlos macht, ist uns ein Licht erschienen, es leuchtet in der Nacht.
Für alle unsere Sorgen, für das was uns bewegt gibt es einen Namen, der über allem steht.
Geborgen im Glauben, gehalten von Gott, gestärkt im Namen Jesu. Amen.