Stellungnahme aus dem ibg-Vorstand

Aktuelle Meldung vom: 07.03.2025

Stellungnahme aus dem ibg-Vorstand zum Film „Bonhoeffer“ (2024)

Am 13. März 2025 kommt der Film „Bonhoeffer“ von Todd Komarnicki in die deutschen Kinos. Als Bonhoeffer-Expert:innen und Theolog:innen begrüßen wir grundsätzlich filmische Auseinandersetzung mit dem Leben und Werk von Dietrich Bonhoeffer, weil sie geeignet sind, das Wissen und die Diskussion über Bonhoeffer und das Gedenken an ihn in Gesellschaft und Kirche zu fördern. Gleichzeitig haben wir bei dem aktuellen Bonhoeffer-Film Bedenken, inwiefern er eine fundierte Grundlage für eine fruchtbare und sachgerechte Auseinandersetzung bietet und in welchen Bildungskontexten er als Material geeignet ist.

Zum Hintergrund: Der Film war im November unter dem Titel „Bonhoeffer. Pastor. Spion. Attentäter“ in den US-Amerikanischen Kinos veröffentlicht und dort auf eine Weise beworben worden, die wir in einer gemeinsamen Stellungnahme mit der englischsprachigen Sektion kritisiert hatten.[1] In dem Statement hieß es: Der Film „verspricht die ‚wahre, unerzählte Geschichte‘ eines Mannes, ‚der Liebe predigte und gleichzeitig das Attentat auf einen Tyrannen plante‘. In der Werbung stellen die Angel Studios immer wieder den direkten Bezug zur Gegenwart her: ‚Der Film wirft die Frage auf: Wie weit wirst du gehen, um für das Richtige einzutreten?‘ Im aktuellen, stark polarisierten Klima der Vereinigten Staaten sind dies gefährliche Worte“, so die Stellungnahme, die am 16. Oktober 2024, also vor der US-Wahl, in der Zeit veröffentlicht wurde. Die Hauptdarsteller des Films, darunter Jonas Dassler und August Diehl, haben in einer gemeinsamen Stellungnahme ebenfalls ihre Besorgnis über die Vereinnahmung des Films durch christliche Nationalisten geäußert;[2] wir freuen uns über diese mutige Stellungnahme und über dieses Eintreten für ein sachgerechtes Bonhoefferbild.

In Deutschland wird der Film anders vermarktet. Das begrüßen wir ausdrücklich, insbesondere, dass die Vermarktung der deutschen Fassung den Film gegen rechtsnationale Vereinnahmungen abgrenzt.

Unsere aktuellen Bedenken beziehen sich darauf, dass eine unkritische und unbegleitete Rezeption des Films zu Missverständnissen über Bonhoeffers Leben und Werk führen kann – insbesondere in Bildungskontexten und überall dort, wo der Film eine Erstbegegnung mit Bonhoeffer darstellt. Dabei halten wir es für wichtig, in der Auseinandersetzung mit dem Film insbesondere die folgenden Punkte zu berücksichtigen:

  • Der Film nimmt sich sehr große künstlerische Freiheiten in der Darstellung von Bonhoeffers Biographie; vieles wird aus historischer Perspektive gesehen nicht präzise oder grob falsch wiedergegeben. Grundsätzlich ist eine solche kreative Interpretation in kulturellen Werken – sowohl der Hoch- als auch der Populärkultur – legitim; sie erreicht in diesem Film aber ein Maß, das eine sachgerechte und zeithistorisch verantwortete Auseinandersetzung mit Bonhoeffer eher erschweren dürfte. Mindestens erfordert sie jedoch bei der Rezeption umso mehr eine kritische und historisch reflektierte Aufarbeitung des Films, insbesondere, wo dies in Bildungskontexten geschieht.“
  • Teile des Films lassen sich so verstehen, als ob Bonhoeffer dem evangelikalen oder fundamentalistischem Spektrum zuzuordnen sei. Antiintellektuelle Affekte werden in dem gezeichneten Bild sichtbar. Das wird Bonhoeffer nicht gerecht. Bonhoeffer war auch von liberalen Gedanken geprägt, kam aus einem bildungsbürgerlichen Hintergrund und war akademisch promovierter und habilitierter Theologe.
  • Als (Universitäts-)Theologe und theologischer Denker bleibt Bonhoeffer im Film weitgehend unsichtbar. Eine angemessene Auseinandersetzung mit seiner Person erfordert jedoch zwingend die Berücksichtigung seines theologischen Denkens.
  • Die Frage nach dem Einsatz von Gewalt im Widerstand wird im Film zum zentralen Erzählstrang in Bonhoeffers Leben gemacht. Diese starke Fokussierung lässt jedoch andere wesentliche Aspekte seines Lebens in den Hintergrund treten, die gerade wichtig wären, um Bonhoeffers Haltung zum Gewalteinsatz einschätzen zu können – insbesondere sein ökumenisches Engagement, sein eindringlicher Aufruf zum Frieden,sein theologisches Nachdenken – und vor allem seine Gedanken zu Verantwortung und Schuldübernahme.

Das Ende des Films stilisiert Bonhoeffer zu einer christusähnlichen Heldenfigur. Diese Darstellung als einsamer Glaubensheld lässt jedoch die sozialen Unterstützungsnetze außer Acht, in denen Bonhoeffer sich selbst verortete – jene „guten Mächte“, die er noch kurz vor seinem Tod poetisch verarbeitet. Während stark gefühlsbetonte Passagen sicher Geschmackssache sind, ist es inhaltlich zu begrüßen, dass der Film auch Bonhoeffers Einsatz für Entrechtete thematisiert. Wo immer eine Auseinandersetzung mit dem Film stattfindet, ist es uns als Theolog:innen und Bonhoeffer-Expert:innen wichtig, dass die genannten Punkte berücksichtigt werden. Gerade in der heutigen Zeit erachten wir eine sachgerechte, nüchterne und differenzierte Auseinandersetzung mit Bonhoeffers Leben und Werk als unerlässlich.

 

Prof. Dr. Florian Höhne, 1. Vorsitzende der internationalen Bonhoeffer Gesellschaft, Deutschsprachige Sektion

PD. Dr. Nadine Hamilton, 2. Vorsitzende der internationalen Bonhoeffer Gesellschaft, Deutschsprachige Sektion

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