Die Liebe des Schöpfers zum Geschöpf

Wach auf, der du schläfst, stehe auf von den Toten, so
wird dich Christus erleuchten« (Epheser 5, 14). So hat es
auch Michelangelo gemeint. Der am jungen Erdboden ruhende
Adam ist so fest und innig mit dem Boden, auf dem er liegt,
verbunden, daß er selbst in seinem noch träumenden Dasein
ein höchst seltsames, höchst wunderbares – aber eben doch ein
Stück Erde ist, ja gerade in diesem völligen Hingeschmiegtsein
an den gesegneten Boden der Schöpfungserde wird die ganze
Herrlichkeit des ersten Menschen sichtbar. Und in diesem
Ruhen an der Erde, in diesem tiefen Schöpfungsschlaf erfährt
nun der Mensch durch die leibliche Berührung mit dem Finger
Gottes Leben – es ist dieselbe Hand, die den Menschen gemacht
hat, die ihn nun wie aus der Ferne zart berührt und zum
Leben erweckt. Nicht hält die Hand Gottes den Menschen
näher in sich gefaßt, sondern sie hat ihn frei gegeben und ihre
schöpferische Kraft wird zur verlangenden Liebe des Schöpfers
zum Geschöpf. Die Hand Gottes auf diesem Bilde der Sixtina
enthüllt mehr Wissen über die Schöpfung als manche tiefe
Spekulation.

Dietrich Bonhoeffer

Quelle:
Schöpfung und Fall
, DBW Band 3, Seite 72f

Gedanken zum 28. Januar

Leben und Werk

Bonhoeffer heute

Forschung

ibg