Die Zerstörung der Schöpfung durch das Geschöpf

Weil der Fall des Menschen in der Schöpfung Gottes
sowohl unbegreiflich wie endgültig-unentschuldbar ist,
darum erschöpft hier das Wort Ungehorsam nicht den Sachverhalt.
Es ist die Empörung, es ist das Heraustreten des Geschöpfes
aus seiner ihm allein möglichen Haltung, es ist das
Schöpferwerden des Geschöpfes, es ist die Zerstörung der
Geschöpflichkeit, es ist der Abfall, der Sturz aus dem Gehaltensein
in der Geschöpflichkeit und es ist dieser Abfall als ein
dauerndes Fallen, Stürzen ins Bodenlose, ein Losgelassensein,
ein immer weiter und tiefer sich entfernen. Und es ist eben in
all dem nicht einfach ein ethischer Fehltritt, sondern es ist die
Zerstörung der Schöpfung durch das Geschöpf. D. h. das Ausmaß
dieses Falles ergreift die ganze geschaffene Welt, der nunmehr
die Geschöpflichkeit geraubt ist, indem sie wie ein
Meteor, der sich vom Kern losgerissen hat, in den unendlichen
Raum blindlings hineinstürzt. Die Frage nach dem Warum des
Bösen ist keine theologische Frage, denn sie setzt eine Möglichkeit
des Zurückgehens hinter die uns aufgezwungene Existenz
als Sünder voraus. Könnten wir das Warum beantworten, so
wären wir nicht Sünder. Wir könnten etwas anderes verantwortlich
machen. Die theologische Frage richtet sich nicht auf
den Ursprung des Bösen, sondern auf die reale Überwindung
des Bösen am Kreuz, sie fragt nach der Vergebung der Schuld,
nach der Versöhnung der gefallenen Welt.

Dietrich Bonhoeffer

Quelle:
Schöpfung und Fall
, DBW Band 3, Seite 112

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