Verbirg deine Gebote nicht vor mir

Gott ist uns in unserer persönlichen Lebensführung oder in
seinem geschichtlichen Handeln oft verborgen; nicht das
ist beängstigend. Aber daß sich uns das offenbare Gebot Gottes
verdunkelt, sodaß wir aus dem Wort Gottes nicht mehr erkennen,
was wir tun sollen, das ist eine schwere Anfechtung. …
Der Schrei, Gott möge mir sein Gebot nicht verbergen
(Psalm 119, 19), kommt nur aus dem Herzen dessen, der Gottes
Gebote kennt. Es ist kein Zweifel: Gott hat uns seine Gebote zu
wissen gegeben und wir haben keine Ausflucht, als wüßten wir
Gottes Willen nicht. Gott läßt uns nicht in unlösbaren Konflikten
leben, er macht unser Leben nicht zu ethischen Tragödien,
sondern er gibt uns seinen Willen zu wissen, er fordert
seine Erfüllung und straft den Ungehorsamen. Die Dinge sind
hier viel einfacher als uns lieb ist. Nicht daß wir Gottes Gebote
nicht wissen, sondern daß wir sie nicht tun, – und dann freilich
als Folge solchen Ungehorsams allmählich auch nicht mehr
recht erkennen – das ist unsere Not. Nicht daß Gott uns seine
Gebote verbirgt, ist hier gesagt, sondern: Gott wird um die
Gnade angerufen, seine Gebote nicht zu verbergen. Es steht in
Gottes Freiheit und Weisheit, uns die Gnade seines Gebotes zu
entziehen, dann aber gibt es für uns nicht die Resignation, sondern
vielmehr das dringende und anhaltende Gebet: Verbirg
deine Gebote nicht vor mir.

Dietrich Bonhoeffer

Quelle:
Illegale Theologenausbildung: Sammelvikariate 1937-1940
, DBW Band 15, Seite 531f

Gedanken zum 2. Februar

Leben und Werk

Bonhoeffer heute

Forschung

ibg