Das Gebot im frei bejahten selbstverständlichen Leben

Vor Gottes Gebot ist der Mensch nicht der Herkules am
Scheidewege in Permanenz, nicht der ewig um die rechte
Entscheidung Ringende, im Konflikt der Pflichten Sich Aufreibende,
immer wieder Scheiternde und neu Anfangende, und
Gottes Gebot selbst tritt nicht nur in jenen großen, bewegten,
in höchster Bewußtheit erlebten Krisenmomenten des Lebens
in Erscheinung. Vielmehr darf der Mensch vor Gottes Gebot
nun einmal schon wirklich auf dem Wege sein (nicht immer
erst am Scheideweg stehen), er darf die rechte Entscheidung
einmal wirklich hinter sich haben (nicht immer vor sich), er
darf ganz ohne inneren Konflikt das Eine tun und das andere
(theoretisch-ethisch vielleicht ebenso Dringliche) lassen, er
darf den Anfang schon gemacht haben und sich auf dem Wege
vom Gebot wie von einem guten Engel leiten, begleiten und
bewahren lassen, und Gottes Gebot selbst kann nun in der
Gestalt alltäglicher, scheinbar kleiner, bedeutungsloser Worte,
Sätze, Winke, Hilfen dem Leben die einheitliche Richtung, die
persönliche Führung geben. Nicht in der Vermeidung der
Übertretung, nicht in der Qual des ethischen Konfliktes und
der Entscheidung, sondern im frei bejahten selbstverständlichen
Leben in der Kirche, in Ehe und Familie, in der Arbeit
und im Staat hat das Gebot sein Ziel.

Dietrich Bonhoeffer

Quelle:
Ethik
, DBW Band 6, Seite 388 f

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