Wie das Neue Testament dem Sterbenden das Leben
verkündigt und im Kreuz Christi das Sterben und das
Leben zusammenstoßen und wie das Leben den Tod verschlingt
– allein wo man dies sieht, glaubt man an die Kirche
unter dem Kreuz. Nur mit klaren Augen gegen die Wirklichkeit
ohne jede Illusion über unsere Moral oder unsere Kultur kann
man glauben. Sonst wird unser Glaube zur Illusion. Der Glaubende
kann kein Pessimist sein und kann kein Optimist sein.
Beides ist Illusion. Der Glaubende sieht die Wirklichkeit nicht
in einem bestimmten Licht, sondern er sieht sie, wie sie ist und
glaubt gegen alles und über alles, was er sieht, allein an Gott und
seine Macht. Er glaubt nicht an die Welt, auch nicht an die
entwicklungsfähige und verbesserungsfähige Welt, er glaubt
nicht an seine weltverbessernde Kraft und seinen guten Willen,
er glaubt nicht an den Menschen, auch nicht an das Gute im
Menschen, das schließlich doch siegen müsse, er glaubt auch
nicht an die Kirche in ihrer Menschenkraft, sondern der
Glaubende glaubt allein an Gott, der das Unmögliche schafft
und tut, der aus dem Tod das Leben schafft, der die sterbende
Kirche zum Leben gerufen hat gegen und trotz uns und durch
uns, aber er allein tut’s.
Quelle:
Ökumene, Universität, Pfarramt 1931-1932, DBW Band 11,
Seite 351