Die Zeiten Gottes

Eine Niederlage zeigt dem vitalen und ethischen Menschen,
daß die Kräfte noch wachsen müssen, ehe sie die Probe
bestehen. Darum ist seine Niederlage niemals unwiderruflich.
Der Christ weiß, daß ihn in der Stunde der Versuchung jedes
Mal alle seine Kräfte verlassen werden. Darum ist für ihn die
Versuchung die dunkle Stunde, die unwiderruflich werden kann.
Darum sucht er nicht nach Bewährung seiner Kraft, sondern
betet: führe uns nicht in Versuchung. …
Der Gott aber, der es Tag und Nacht werden läßt, der gibt auch
Zeiten des Durstes Zeiten der Erquickung, Gott gibt Sturm und
er gibt ruhige Fahrt, Gott gibt Zeiten der Sorge und Angst und
Gott gibt Zeiten der Freude. …
Nicht was das Leben an sich sei, sondern wie Gott jetzt mit
mir handelt, ist dem Christen wichtig. Gott verstößt mich und
er nimmt mich wieder an, er zerstört mein Werk und er baut
es wieder auf. »Ich bin der Herr und keiner mehr, der ich das
Licht mache und schaffe die Finsternis, der ich Frieden gebe
und schaffe das Übel« (Jesaja 45, 7). So lebt der Christ aus den
Zeiten Gottes und nicht aus seinem eigenen Begriff vom Leben.
So sagt er nicht, er stehe allezeit in Versuchung und alle Zeit in
der Bewährung, sondern er betet in den Zeiten der Bewahrung,
Gott wolle die Zeit der Versuchung nicht über ihn kommen
lassen.

Dietrich Bonhoeffer

Quelle:
Illegale Theologenausbildung: Sammelvikariate 1937-1940
, DBW Band 15, Seite 373 f

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