Überantwortet

Überantwortet« sagt Jesus, das heißt, es ist nicht die Welt,
die über ihn Macht gewinnt, sondern jetzt wird Jesus von
den Seinen selbst ausgeliefert, preisgegeben, aufgegeben. Der
Schutz wird ihm aufgesagt. Man will sich nicht weiter mit ihm
belasten: Laßt ihn den Andern. Das ist es, Jesus wird weggeworfen,
die schützenden Hände der Freunde sinken. Mögen nun
die Hände der Sünder mit ihm tun, was sie wollen. Mögen sie
ihn antasten, deren unheilige Hände ihn nie berühren durften.
Mögen sie mit ihm spielen, ihn verspotten und schlagen. Wir
können nichts mehr daran ändern. Das heißt Jesus überantworten:
nicht mehr für ihn eintreten, ihn dem Spott und der Macht
der Öffentlichkeit preisgeben, die Welt mit ihm umgehen lassen
nach ihrem Mutwillen, nicht mehr zu ihm stehen. Jesus wird
von den Seinen der Welt ausgeliefert. Das ist sein Tod.
Jesus weiß, was ihm bevorsteht. In Festigkeit und Entschlossenheit
ruft er seine Jünger auf: »Stehet auf, laßt uns gehen«
(Matthäus 26, 46). Oftmals hatten die drohenden Feinde vor ihm
zurückweichen müssen, er war frei durch ihre Mitte hindurchgeschritten,
ihre Hände sanken (Lukas 4, 28-30). Damals war
seine Stunde noch nicht gekommen. Jetzt ist die Stunde hier.
Jetzt geht er ihr in freiem Entschluß entgegen. Und damit kein
Zweifel mehr sei, damit unzweideutig klar sei, daß die Stunde
da ist, in der überantwortet wird, sagt er: »Siehe, er ist da, der
mich verrät« (Matthäus 26, 46).

Dietrich Bonhoeffer

Quelle:
Illegale Theologenausbildung: Finkenwalde 1935-1937
, DBW Band 14, Seite 974 f

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