Unerklärlich, unbegreiflich

Und als er noch redete, siehe, da kam Judas der Zwölfe einer,
und mit ihm eine große Schar mit Schwertern und mit Stangen
« (Matthäus 26, 47). Jetzt sehen wir nur noch zwei, um die es
hier geht. Die Jünger und die Häscher treten zurück, sie beide
tun ihr Werk schlecht. Nur zwei tun ihr Werk so, wie sie es tun
mußten, Jesus und Judas. Wer ist Judas? das ist die Frage. Es ist
eine der ganz alten und grüblerischen Fragen der Christenheit.
Halten wir uns zunächst an das, was der Evangelist selbst dazu
sagt: Judas, der Zwölfe einer. Ob wir etwas spüren von dem
Grauen, mit dem der Evangelist dieses kleine Satzteilchen
beschrieben hat? Judas, der Zwölfe einer – was war hier mehr
zu sagen? und war hiermit nicht auch wirklich alles gesagt?
Das ganze dunkle Geheimnis des Judas und zugleich das tiefste
Entsetzen vor seiner Tat. Judas, der Zwölfe einer, das heißt
doch: es war unmöglich, daß dies geschah, es war ganz unmöglich,
und es geschah doch. Nein, hier ist nichts mehr zu erklären
und zu verstehen. Es ist ganz und gar unerklärlich, unbegreiflich,
es bleibt ganz und gar Rätsel – und doch geschah die
Tat. Judas, der Zwölfe einer, das heißt ja nicht nur: er war einer,
der Tag und Nacht um Jesus war. Es hieß ja noch etwas viel
Unbegreiflicheres: Jesus selbst hatte Judas berufen und erwählt!
Das ist das eigentliche Geheimnis, denn Jesus wußte, wer ihn
verraten würde, von Anfang an.

Dietrich Bonhoeffer

Quelle:
Illegale Theologenausbildung: Finkenwalde 1935-1937
, DBW Band 14, Seite 975 f

Gedanken zum 10. April

Leben und Werk

Bonhoeffer heute

Forschung

ibg