Christliche Auferstehungshoffnung

Im Unterschied zu den anderen orientalischen Religionen
ist der Glaube des Alten Testaments keine Erlösungsreligion.
Nun wird doch aber das Christentum immer als Erlösungsreligion
bezeichnet. … Man sagt, das Entscheidende sei, daß im
Christentum die Auferstehungshoffnung verkündigt würde,
und daß also damit eine echte Erlösungsreligion entstanden sei.
Das Schwergewicht fällt nun auf das Jenseits der Todesgrenze.
Und eben hierin sehe ich den Fehler und die Gefahr. Erlösung
heißt nun Erlösung aus Sorgen, Nöten, Ängsten und Sehnsüchten,
aus Sünde und Tod in einem besseren Jenseits. Sollte dies
aber wirklich das Wesentliche der Christusverkündigung der
Evangelien und des Paulus sein? Ich bestreite das. Die christliche
Auferstehungshoffnung unterscheidet sich von den
mythologischen darin, daß sie den Menschen in ganz neuer und
gegenüber dem Alten Testament noch verschärfter Weise an
sein Leben auf der Erde verweist. Der Christ hat nicht wie die
Gläubigen der Erlösungsmythen aus den irdischen Aufgaben
und Schwierigkeiten immer noch eine letzte Ausflucht ins
Ewige, sondern er muß das irdische Leben wie Christus ganz
auskosten und nur indem er das tut, ist der Gekreuzigte und
Auferstandene bei ihm und ist er mit Christus gekreuzigt und
auferstanden. Das Diesseits darf nicht vorzeitig aufgehoben
werden. Darin bleiben Neues Testament und Altes Testament
verbunden. Erlösungsmythen entstehen aus den menschlichen
Grenzerfahrungen. Christus aber faßt den Menschen in der
Mitte seines Lebens.

Dietrich Bonhoeffer

Quelle:
Widerstand und Ergebung
, DBW Band 8, Seite 499 ff

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