Ein unergründliches Geheimnis

In unbegreiflicher Umkehrung alles gerechten und frommen
Denkens erklärt Gott sich selbst für schuldig an der Welt
und löscht damit die Schuld der Welt aus; tritt Gott selbst den
demütigenden Versöhnungsgang an und spricht damit die Welt
frei; will Gott schuld sein an unserer Schuld, nimmt er Strafe
und Leiden, die die Schuld über uns gebracht hat, auf sich.
Gott steht ein für die Gottlosigkeit, die Liebe für den Haß, der
Heilige für den Sünder. Nun gibt es keine Gottlosigkeit, keinen
Haß, keine Sünde mehr, die Gott nicht auf sich selbst genommen,
erlitten und abgebüßt hätte. Nun gibt es keine Wirklichkeit,
keine Welt mehr, die nicht mit Gott versöhnt und in Frieden
wäre. Das tat Gott in seinem lieben Sohn Jesus Christus.
Ecce homo – seht den menschgewordenen Gott, das unergründliche
Geheimnis der Liebe Gottes zur Welt. Gott liebt
den Menschen. Gott liebt die Welt. Nicht einen Idealmenschen,
sondern den Menschen wie er ist, nicht eine Idealwelt,
sondern die wirkliche Welt.

Dietrich Bonhoeffer

Quelle:
Ethik
, DBW Band 6, Seite 70

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