Der Zweifler

Was hilft mir die Botschaft von dem herrlichsten Wunder,
wenn ich es selbst nicht erfahren und prüfen kann?
Tot ist tot und leichtgläubig macht der Wunsch die Menschen.
So spricht der Zweifel zu jeder Zeit, und so denkt Thomas der
Jünger Jesu (Johannes 20, 25). Aus den wenigen Worten, die uns
von ihm erhalten sind (Johannes 11, 16; 14, 5), kennen wir ihn als
einen zu jedem Opfer bereiten Jünger, der aber seine Fragen, die
er an Jesus hatte, offen bekannte und klare Antwort begehrte.
Er hatte sich nach dem Tode Jesu von den anderen Jüngern getrennt
und war auch am Ostertag ferngeblieben. Er wollte sich
nicht in kranke Schwärmerei hineinreißen lassen. »Ich werde
es nicht glauben«, sagt er hart, als ihn die Botschaft durch die
andern Jünger erreicht, »ehe ich es selbst gesehen und betastet
habe«. Thomas hat recht, wenn er seinen Glauben entweder
selbst finden oder gar nicht glauben will; aber der Weg, auf dem
er ihn sucht, ist falsch. Trotz seiner Weigerung zu glauben,
kommt Thomas in den Jüngerkreis. Das ist wichtig; denn es
zeigt die Bereitwilligkeit des Thomas sich überzeugen zu lassen,
zeigt die Aufrichtigkeit seines Zweifels. Es ist dennoch die
freie Gnade des Auferstandenen, die nun auch dem Einzelnen
nachgeht, den Zweifelnden überwindet und in ihm den Osterglauben
schafft.

Dietrich Bonhoeffer

Quelle:
Illegale Theologenausbildung: Sammelvikariate 1937-1940
, DBW Band 15, Seite 557 f

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