Das Vorletzte

Der Inhalt der christlichen Botschaft ist nicht, zu werden
wie eine jener biblischen Gestalten, sondern zu sein – wie
Christus selbst. Dazu aber führt keine Methode, sondern der
Glaube allein. Anders verlöre das Evangelium seinen Preis, seinen
Wert. Die teure Gnade würde billig. …
Es gibt eine Zeit des Zulassens, Wartens, Vorbereitens Gottes
und es gibt eine letzte Zeit, die das Vorletzte richtet und abbricht.
Luther mußte durch das Kloster, Paulus mußte durch die
Gesetzesfrömmigkeit, ja der Schächer »mußte« durch Schuld
ans Kreuz, um das letzte Wort zu hören. Es mußte ein Weg gegangen
sein, es mußte die ganze Länge des Weges der vorletzten
Dinge durchschritten sein, es mußte ein jeder unter der Last dieser
Dinge auf die Knie sinken – und doch war dann das letzte
Wort nicht die Krönung, sondern der vollständige Abbruch des
Vorletzten. Angesichts des letzten Wortes stand Luther und
Paulus nicht anders da als der Schächer am Kreuz. Es muß also
ein Weg beschritten werden, obwohl es doch keinen Weg zu
diesem Ziel gibt, und dieser Weg muß bis zu Ende gegangen
werden, das heißt bis dorthin, wo Gott ihm sein Ende setzt. Das
Vorletzte bleibt also bestehen, obwohl es durch das Letzte gänzlich
aufgehoben und außer Kraft gesetzt wird.

Dietrich Bonhoeffer

Quelle:
Ethik
, DBW Band 6, Seite 141f

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