Prüfen, was ist der Wille Gottes sei

Es ist nun wirklich zu prüfen, was der Wille Gottes sei, was
in der gegebenen Situation richtig sei, was Gott wohlgefalle;
denn es muß ja nun konkret gelebt und gehandelt werden.
Verstand, Erkenntnisvermögen, aufmerksame Wahrnehmung
des Gegebenen treten hier in lebhafte Aktion. Dabei wird das
Gebot alles umfassen und durchdringen. Gemachte Erfahrungen
werden bekräftigend oder warnend zu Worte kommen.
Keinesfalls wird auf unmittelbare Eingebungen gerechnet und
gewartet werden dürfen, ohne daß man sich den Selbstbetrug
allzu leicht ausliefert. Es wird angesichts der Sache, um die es
geht, ein hoher Geist der Nüchternheit herrschen. Es werden
Möglichkeiten und Folgen wohlbedacht werden. Es wird also
der ganze Apparat menschlicher Kräfte in Bewegung gesetzt
sein, wo es darum geht, zu prüfen, was Gottes Wille sei. Aber es
wird bei dem allen weder die Qual, vor unlösbaren Konflikten
zu stehen noch der Übermut, jeden Konflikt meistern zu können,
noch auch die schwärmerische Erwartung und Behauptung
unmittelbarer Inspirationen Raum haben. Es wird der Glaube
dasein, daß Gott dem, der ihn demütig fragt, seinen Willen gewiß
zu erkennen gibt; es wird dann nach allem ernsten Prüfen
auch die Freiheit zur wirklichen Entscheidung da sein.

Dietrich Bonhoeffer

Quelle:
Ethik
, DBW Band 6, Seite 326 f

Gedanken zum 16. Mai

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