Wovon die Welt lebt

Der Gerechte leidet unter der Welt (Psalm 34, 20), der Ungerechte
nicht. Der Gerechte leidet unter den Dingen,
die für andere selbstverständlich und notwendig sind. Der
Gerechte leidet unter der Ungerechtigkeit, unter der Sinnlosigkeit
und Verkehrtheit des Weltgeschehens. … Die Welt sagt:
das ist nun einmal so, wird immer so sein und muß so sein. Der
Gerechte sagt: es sollte nicht so sein, es ist gegen Gott. Daran
vor allem wird man den Gerechten erkennen, daß er in dieser
Weise leidet. Er bringt gewissermaßen das Sensorium Gottes in
die Welt; darum leidet er, so wie Gott unter der Welt leidet. –
»Aber der Herr hilft ihm« – nicht in jedem Leiden der Menschen
ist Gottes Hilfe. Aber in dem Leiden des Gerechten ist
immer Gottes Hilfe, weil er ja mit Gott leidet. Gott ist immer
dabei. … Die Antwort des Gerechten auf die Leiden, die ihm
die Welt zufügt heißt: segnen. Das war die Antwort Gottes auf
die Welt, die Christus ans Kreuz schlug: Segen. Gott vergilt
nicht Gleiches mit Gleichem und so soll es auch der Gerechte
nicht tun. Nicht verurteilen, nicht schelten, sondern segnen
(1 Petrus 3, 9). Die Welt hätte keine Hoffnung, wenn dies nicht
wäre. Vom Segen Gottes und der Gerechten lebt die Welt und
hat sie eine Zukunft. … Nur aus dem Unmöglichen kann die
Welt erneuert werden, und das Unmögliche ist der Segen
Gottes.

Dietrich Bonhoeffer

Quelle:
Konspiration und Haft 1940-1945
, DBW Band 16, Seite 657f

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