Pfingsten – ein Brief aus dem Gefängnis

Nun feiern wir also auch Pfingsten noch getrennt, und es ist
doch in besonderer Weise ein Fest der Gemeinschaft. Als
die Glocken heute früh läuteten, hatte ich große Sehnsucht
nach einem Gottesdienst, aber dann habe ich es gemacht wie
Johannes auf Patmos (Offenbarung 1, 9 f) und für mich allein einen
so schönen Gottesdienst gehalten, daß die Einsamkeit gar nicht
zu spüren war, so sehr ward Ihr alle, alle dabei und auch die Gemeinden,
in denen ich Pfingsten schon gefeiert habe. Das Paul
Gerhardt’sche Pfingstlied mit den schönen Versen:
»Du bist ein Geist der Freude …« und »Gib Freudigkeit und
Stärke …« sage ich mir seit gestern Abend alle paar Stunden
auf und freue mich daran, dazu die Worte: »der ist nicht stark,
der nicht fest ist in der Not« (Sprüche 24, 10) und »Gott hat uns
nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der
Liebe und der Besonnenheit« (2 Timotheus 1, 7). Die seltsame
Geschichte vom »Sprachenwunder« (Apostelgeschichte 2, 1-13) hat
mich auch wieder sehr beschäftigt. Daß die babylonische
Sprachenverwirrung, durch die die Menschen einander nicht
mehr verstehen können, weil jeder seine eigene Sprache
spricht, ein Ende haben und überwunden sein soll durch die
Sprache Gottes, die jeder Mensch versteht und durch die allein
die Menschen sich auch untereinander wieder verstehen können,
und daß die Kirche der Ort sein soll, an dem das geschieht,
das sind doch alles sehr große und wichtige Gedanken.

Dietrich Bonhoeffer

Quelle:
Widerstand und Ergebung
, DBW Band 8, Seite 99

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