Eine Stimme in uns

Heilen, leiten, trösten (Jesaja 57, 18) – das ist Gottes Tun an
Pfingsten. Gott sieht unsere Wege an; es ist Gnade, wenn
er das tut; er kann uns auch unsrer Wege gehen lassen, ohne sie
anzusehen. Aber er hat sie angesehen – und er sah uns verwundet,
verirrt, verängstigt. Nun ist er dabei uns zu heilen. …
Erinnerungen quälen uns nicht mehr, alle Schmerzen versinken
ins Nichts, in Vergessenheit, wie in der Nähe eines geliebten
Menschen. Gott ist uns näher als das Vergangene.
Gott will uns leiten. Nicht alle Wege der Menschen sind
Gottes Führung; wir können oft lange auf eigenen Wegen gehen;
auf ihnen sind wir ein Spielball des Zufalls, ob er uns
Glück oder Unglück bringt. Die eigenen Wege führen im
Kreise immer zu uns selbst zurück. Gottes Wege führen zu Gott.
Gott leitet uns durch Glück und Unglück immer nur zu Gott.
Daran erkennen wir Gottes Wege.
Gott will uns trösten. Gott tröstet nur, wenn Grund genug dafür
vorhanden ist, wenn Menschen nicht ein noch aus wissen,
wenn die Sinnlosigkeit des Lebens sie ängstigt. Die Welt, wie
sie in Wirklichkeit ist, macht uns immer Angst. Aber wer getröstet
wird, sieht und hat mehr als die Welt, er hat das Leben
mit Gott. Nichts ist zerstört, verloren, sinnlos, wenn Gott
tröstet. …
Wie heilt, wie leitet, wie tröstet Gott? Allein dadurch, daß er
eine Stimme in uns gibt, die sagt, betet, ruft, schreit: »lieber
Vater« (Galater 4, 6)! Das ist der Heilige Geist, das ist Pfingsten.

Dietrich Bonhoeffer

Quelle:
Konspiration und Haft 1940-1945
, DBW Band 16, Seite 651f

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