Die Absage an das fromme Ich

Wir müssen erst einmal ganz verlernen: »ich will« zu sagen,
ehe Gott durch den Heiligen Geist uns lehrt, es neu
und richtig zu sagen. Das »Ich will« kann gerade in Sachen der
Frömmigkeit das größte Unheil anrichten – »Ich will fromm
sein, ich will heilig sein, ich will die Gebote halten« – wir müssen
erst einmal von Grund auf verstanden haben, daß auch in
diesen Dingen nicht unser Wille, sondern allein Gottes Wille
gilt, wir müssen auch unserem frommen Ich absagen, damit
Gott sein Werk an uns tun kann. Sonst folgt unserem »ich
will« ganz gewiß der Bankrott. Wenn wir aber durch Gottes
Gnade aufgehört haben, »ich will« zu sagen, wenn wir durch
Gottes neuen Anfang mit uns in Jesus Christus auf seinen Weg
gebracht worden sind – allem unseren »ich will« und »ich will
nicht« zum Trotz – , dann fängt der Heilige Geist selbst an in
uns zu sprechen und wir sagen ganz neu und ganz anders als bisher:
»ich will«. … Ich will deine Satzungen halten (Psalm 119, 8),
ich tue es nicht gezwungen, sondern du hast mich frei gemacht,
daß ich wollen kann, was ich haßte, du hast meinen Willen an
deine Satzungen gebunden. Es ist Gott, der Heilige Geist selbst,
der das an mir wahr macht, was allein für Jesus Christus galt:
mein Willen ist dein Sagen. Weil aber ich nicht der Heilige
Geist oder der Herr Jesus Christus selbst bin, darum muß ich
meinem »ich will« schnell die Bitte hinzufügen: »verlaß mich
nit allzusehr« (Luther 1521).

Dietrich Bonhoeffer

Quelle:
Illegale Theologenausbildung: Sammelvikariate 1937-1940
, DBW Band 15, Seite 514 f

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