Es geht nicht um Religion

Die Kirche ist der menschgewordene, gerichtete, zu neuem
Leben erweckte Mensch in Christus. Sie hat es also zunächst
garnicht wesentlich mit den sogenannten religiösen
Funktionen des Menschen zu tun, sondern mit dem ganzen
Menschen in seinem Dasein in der Welt mit allen seinen Beziehungen.
Es geht in der Kirche nicht um Religion, sondern um die Gestalt
Christi und um ihr Gestaltwerden unter einer Schar von
Menschen. Lassen wir uns auch nur um das Geringste von dieser
Sicht abbringen, so fallen wir unvermeidlich zurück in die
Programmatik ethischer oder religiöser Weltgestaltung. …
Der Ausgangspunkt christlicher Ethik ist der Leib Christi, die
Gestalt Christi in der Gestalt der Kirche, die Gestaltung der
Kirche nach der Gestalt Christi. Nur indem das, was an der
Kirche geschieht, in Wahrheit der ganzen Menschheit gilt, gewinnt
der Begriff der Gestaltung – indirekt – seine Bedeutung
für alle Menschen. Nun aber wiederum nicht so als würde die
Kirche sozusagen als Vorbild für die Welt hingestellt, sondern
nur so kann von Gestaltung der Welt gesprochen werden, daß
die Menschheit auf ihre wahre Gestalt, die ihr zugehört, in die
Kirche hineingezogen wird. Es bleibt dabei, daß auch dort, wo
weltgestaltend geredet wird, allein die Gestalt Jesu Christi gemeint
ist.

Dietrich Bonhoeffer

Quelle:
Ethik
, DBW Band 6, Seite 84 f

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