Gott ist Liebe (1 Johannes 4, 16) – das ist nicht mehr eine allgemeine
Lebensweisheit oder –unweisheit, sondern es
ist der reale, einzige unzerstörbare Grund, auf dem ein ganzes
Leben aufgebaut wird. Es ist Wahrheit und es ist Wirklichkeit.
Es gehört zu der Bestimmung der Kirche, daß sie solche Dinge
zum Menschen sagen muß, die diese entweder als gut gemeinte
Phrase und als Unwahrheit oder aber als Selbstverständlichkeit
empfinden muß. Das Wort »Gott ist Liebe« ist ganz dieser Gefahr
ausgesetzt. Es liegt unendlich nah, es für eine gut gemeinte
Übertreibung, eine Phrase zum Zweck kirchlicher Feiern zu halten
und es somit im Grunde als Unwahrheit abzulehnen und
seines Ernstes zu berauben. Es ist aber ebenso eine Zerstörung
des Ernstes dieses Wortes, wenn man es für eine fromme Selbstverständlichkeit
hält. Nein, von dem schlechthin Unselbstverständlichen,
Unwahrscheinlichen, ja Unglaubwürdigen ist hier
die Rede, wo von der Liebe Gottes geredet wird. Und doch ist
dieses schlechthin Unwahrscheinliche wahr, so wahr, daß das
ganze Leben eines Menschen auf ihm aufgebaut werden soll. …
Wer in der Liebe bleibt, geht nicht den vorgeschriebenen Weg
der Vortrefflichkeit in der Welt, sondern eigene, oft unverständliche,
oft törichte Wege. Es fehlt ihm das letzte Stück
Weltklugheit, das Selbstsucht genannt wird. Aber in diesen
törichten, wunderlichen Wegen sieht der, der Augen hat zu
sehen, etwas leuchten von der Herrlichkeit Gottes selbst.
Quelle:
Ökumene, Universität, Pfarramt 1931-1932, DBW Band 11,
Seite 423 f, 426