Der Anspruch der Kirche an die Obrigkeit

Die Kirche hat den Auftrag, alle Welt unter die Herrschaft
Jesu Christi zu rufen. Sie bezeugt der Obrigkeit den gemeinsamen
Herrn. Sie ruft die obrigkeitlichen Personen zum
Glauben an Jesus Christus um ihrer Seligkeit willen. Sie weiß,
daß im Gehorsam gegen Jesus Christus der obrigkeitliche Auftrag
recht vollführt wird. Ihr Ziel ist nicht, daß die Obrigkeit
christliche Politik, christliche Gesetze etc. macht, sondern daß
sie rechte Obrigkeit im Sinne ihres besonderen Auftrages sei.
Die Kirche führt die Obrigkeit erst zum Verständnis ihrer selbst.
Sie beansprucht um des gemeinsamen Herrn willen das Gehör
der Obrigkeit, den Schutz der öffentlichen christlichen Verkündigung
gegen Gewalttat und Blasphemie, den Schutz der kirchlichen
Ordnung vor willkürlichem Eingriff, den Schutz des
christlichen Lebens im Gehorsam gegen Jesus Christus. Die
Kirche kann von diesem Anspruch niemals lassen. Sie muß ihn
auch solange öffentlich vernehmlich werden lassen, als die
Obrigkeit selbst den Anspruch erhebt, die Kirche anzuerkennen.
Wo freilich ausgesprochen oder faktisch die Obrigkeit sich
gegen die Kirche stellt, kann der Zeitpunkt kommen, da die
Kirche ihren Anspruch zwar nicht aufgibt, aber doch auch ihr
Wort nicht mehr verschleudert.

Dietrich Bonhoeffer

Quelle:
Konspiration und Haft 1940-1945
, DBW Band 16, Seite 528 f

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