Von der Welt zu Gott oder von Gott zur Welt?

Wer sagt uns eigentlich, daß alle weltlichen Probleme gelöst
werden sollen und können? Vielleicht ist Gott die
Ungelöstheit dieser Probleme wichtiger als ihre Lösung, nämlich
als Hinweis auf den Sündenfall des Menschen und auf
Gottes Erlösung. Vielleicht sind die Probleme der Menschen so
verstrickt, so falsch gestellt, daß sie eben wirklich nicht zu lösen
sind. … Das Denken, das von den menschlichen Problemen
ausgeht und von dorther nach Lösungen fragt, muß überwunden
werden, es ist unbiblisch. Nicht von der Welt zu Gott, sondern
von Gott zur Welt geht der Weg Jesu Christi und daher
der Weg alles christlichen Denkens. Das bedeutet, daß das
Evangelium sein Wesen nicht darin hat, weltliche Probleme zu
lösen und daß darin auch nicht die wesentliche Aufgabe der
Kirche bestehen kann. Daraus folgt nun allerdings nicht, daß
die Kirche in dieser Hinsicht gar keine Aufgabe hätte. … Das
Wort der Kirche an die Welt kann kein anderes sein als das
Wort Gottes an die Welt. Dieses heißt: Jesus Christus und das
Heil in diesem Namen. In Jesus Christus ist Gottes Verhältnis
zur Welt bestimmt, ein anderes Verhältnis Gottes zur Welt außer
durch Jesus Christus kennen wir nicht. Daher gibt es auch
für die Kirche kein anderes Verhältnis zur Welt als durch Jesus
Christus; das heißt nicht von einem Naturrecht, Vernunftrecht,
allgemeinem Menschenrecht aus, sondern allein vom Evangelium
von Jesus Christus aus ergibt sich das richtige Verhältnis
der Kirche zur Welt.

Dietrich Bonhoeffer

Quelle:
Ethik
, DBW Band 6, Seite 356, 358

Gedanken zum 29. Juni

Leben und Werk

Bonhoeffer heute

Forschung

ibg