Ruf und Berufung

In der Begegnung mit Jesus Christus erfährt der Mensch den
Ruf Gottes und in ihm die Berufung zum Leben in der Gemeinschaft
Jesu Christi. … Als Heide oder Jude, als Sklave
oder Freier, als Mann oder Frau (Galater 3, 28), als verheiratet
oder Ehelosen trifft den Menschen der Ruf. Dort wo er gerade
ist, soll er den Ruf hören und sich von ihm in Anspruch nehmen
lassen. … Nicht in der treuen Leistung seiner irdischen
Berufspflichten als Bürger, Arbeiter, Familienvater erfüllt der
Mensch die ihm auferlegte Verantwortung, sondern im vernehmen
des Rufes Jesu Christi, der ihn zwar auch in die irdischen
Pflichten hineinführt, aber niemals in ihnen aufgeht, sondern
immer über sie hinaus, vor ihnen und hinter ihnen steht. …
Die Rückkehr Luthers aus dem Kloster in die Welt, in den
»Beruf« ist – echt neutestamentlich – der heftigste Angriff und
Stoß, der seit dem Urchristentum gegen die Welt geführt worden
ist. Nun wird in der Welt gegen die Welt Stellung bezogen,
der Beruf ist der Ort, an dem dem Ruf Christi geantwortet und
so verantwortlich gelebt wird. So ist zwar die mir im Beruf gesetzte
Aufgabe eine begrenzte, zugleich aber stößt die Verantwortung
vor dem Ruf Jesu Christi durch alle Grenzen hindurch.

Dietrich Bonhoeffer

Quelle:
Ethik
, DBW Band 6, Seite 290 ff

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