Gott gibt dem Leben eine Gestalt

Natürliches Leben ist gestaltetes Leben. Das Natürliche ist
dem Leben selbst innewohnende und dienende Gestalt.
Löst sich das Leben aber von dieser Gestalt, will es sich frei von
ihr bejahen, will es sich durch die Gestalt des Natürlichen
nicht dienen lassen, dann zerstört es sich selbst bis in die Wurzeln.
Das sich selbst absolut, als Selbstzweck setzende Leben
vernichtet sich selbst. Vitalismus endet zwangsläufig im Nihilismus,
im Zerbrechen alles Natürlichen. Das Leben an sich –
im konsequenten Sinne – ist ein Nichts, ein Abgrund, ein
Sturz; es ist Bewegung ohne Ende, ohne Ziel, Bewegung ins
Nichts hinein. Es ruht nicht, ehe es alles in diese vernichtende
Bewegung mit hineingerissen hat. Es gibt diesen Vitalismus im
individuellen und im gemeinschaftlichen Leben. Er entsteht an
der falschen Verabsolutierung einer an sich richtigen Einsicht,
nämlich daß das Leben nicht nur Mittel zum Zweck, sondern
auch Selbstzweck ist; auch diese Einsicht gilt für das individuelle
wie gemeinschaftliche Leben. Gott will das Leben und er
gibt dem Leben eine Gestalt, in der es leben kann, weil es sich
selbst überlassen sich nur vernichten kann. Diese Gestalt stellt
das Leben aber zugleich in den Dienst anderen Lebens und der
Welt.

Dietrich Bonhoeffer

Quelle:
Ethik
, DBW Band 6, Seite 171

Gedanken zum 14. Juli

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