Das Weltliche und das Christliche

Das Christliche ist nicht identisch mit dem Weltlichen, das
Natürliche mit dem Übernatürlichen, das Offenbarungsgemäße
mit dem Vernünftigen, sondern es besteht vielmehr
zwischen beidem eine allein in der Christuswirklichkeit und das
heißt im Glauben an diese letzte Wirklichkeit gegebene Einheit.
Diese Einheit wird dadurch gewahrt, daß das Weltliche
und das Christliche etc. sich gegenseitig jede statische Verselbständigung
des einen gegen das andere verbieten, daß sie sich
also polemisch zu einander verhalten und gerade darin ihre gemeinsame
Wirklichkeit, ihre Einheit in der Christuswirklichkeit
bezeugen. Wie Luther das Weltliche polemisch gegen die
Sakralisierung der römischen Kirche ins Feld führte, so muß
diesem Weltlichen in dem selben Augenblick, in dem es in
Gefahr steht, sich zu verselbständigen wie es bald nach der
Reformation geschah und im Kulturprotestantismus seinen
Höhepunkt erreichte, vom Christlichen, vom »Sakralen« her
polemisch widersprochen werden. Es handelt sich dann in beiden
Fällen um genau denselben Vorgang, nämlich um den Hinweis
auf die Gottes- und Weltwirklichkeit in Jesus Christus.

Dietrich Bonhoeffer

Quelle:
Ethik
, DBW Band 6, Seite 45

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