Resignierter Pessimist?

Du lebst in der Welt. Gott hat dich in sie hineingesetzt, in
ihr, mitten in der Vergänglichkeit sollst du den Willen
Gottes tun. Freu dich an dem, woran du dich freuen kannst,
aber häng dein Herz nicht an die Welt, dein Herz gehört der
Ewigkeit, gehört Gott.
Man hätte den Text (1 Johannes 2, 17) mißverstanden, wenn man
meinte, Christen wären Pessimisten, die bei allem, was sie sähen,
nur an ihre Vergänglichkeit dächten und nur resignierten.
Gewiß, die Christen sind Pessimisten in bezug auf die Welt, sie
erwarten nicht all zuviel von der Welt, sind nicht kulturselig,
aber sie sind Optimisten in bezug auf das Göttliche in der Welt,
sie wissen, daß Gott ihnen die Ewigkeit schenkt, darum sind es
freudige, heitere Menschen, freilich eine Heiterkeit, in die
doch immer wieder ein bißchen Wehmut und Weltschmerz
hineinschaut. Der Christ hat sein Betätigungsfeld in der Welt.
Hier soll er anfassen, mitschaffen und wirken, hier den Willen
Gottes tun und darum ist der Christ nicht resignierter Pessimist,
sondern einer der freilich von der Welt wenig erhofft und darum
also schon in der Welt freudig und heiter ist, denn sie wird ihm
zum Saatfeld der Ewigkeit.

Dietrich Bonhoeffer

Quelle:
Barcelona, Berlin, Amerika 1928-1931
, DBW Band 10, Seite 504

Leben und Werk

Bonhoeffer heute

Forschung

ibg