Grenzen und Ursprung verantwortlichen Handelns

Es gehört zur Begrenztheit verantwortlichen Lebens und
Handelns, daß es mit der Verantwortlichkeit der anderen
ihm begegnenden Menschen rechnet. Eben darin unterscheidet
sich Verantwortung von Vergewaltigung, daß sie im anderen
Menschen den Verantwortlichen erkennt, ja daß sie ihn seiner
eigenen Verantwortlichkeit bewußt werden läßt. Die Verantwortung
des Vaters oder des Staatsmannes ist begrenzt durch
die Verantwortlichkeit des Kindes oder des Staatsbürgers. …
Niemals also kann es eine absolute Verantwortung geben, die
nicht an der Verantwortlichkeit des anderen Menschen ihre
wesenhafte Grenze fände. … Gott und der Nächste, wie sie uns
in Jesus Christus begegnen, sind ja nicht nur die Grenzen, sondern
auch der Ursprung verantwortlichen Handelns. Unverantwortliches
Handeln ist eben dadurch definiert, daß es diese
Grenzen, Gott und den Nächsten, mißachtet. Verantwortliches
Handeln gewinnt seine Einheit und schließlich auch seine
Gewißheit aus dieser seiner Begrenztheit durch Gott und den
Nächsten. Gerade weil es seiner selbst nicht Herr ist, weil es
nicht grenzenlos, übermütig, sondern geschöpflich, demütig ist,
kann es von einer letzten Freude und Zuversicht getragen sein,
kann es sich in seinem Ursprung, Wesen und Ziel, in Christus,
geborgen wissen.

Dietrich Bonhoeffer

Quelle:
Ethik
, DBW Band 6, Seite 268 f

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