Das befreite Gewissen

Nicht ein Gesetz, sondern der lebendige Gott und der lebendige
Mensch, wie er mir in Jesus Christus begegnet, ist
Ursprung und Ziel meines Gewissens. Um Gottes und der Menschen
willen wurde Jesus zum Durchbrecher des Gesetzes: er
brach das Sabbathgesetz um es in der Liebe zu Gott und Mensch
zu heiligen; er verließ seine Eltern um im Hause seines Vaters
zu sein und so den Gehorsam gegen die Eltern zu reinigen; er
aß mit Sündern und Verworfenen, er geriet aus Liebe zu den
Menschen in die Gottverlassenheit seiner letzten Stunde.
Als der sündlos Liebende wurde er schuldig, wollte er in der
Gemeinschaft der menschlichen Schuld stehen. So ist Jesus
Christus der Befreier des Gewissens zum Dienst Gottes und des
Nächsten, der Befreier des Gewissens auch und gerade dort,
wo der Mensch in die Gemeinschaft der menschlichen Schuld
eintritt. Das vom Gesetz befreite Gewissen wird das Eintreten
in fremde Schuld um des anderen Menschen willen nicht
scheuen, es wird sich vielmehr gerade so in seiner Reinheit erweisen.
Das befreite Gewissen ist nicht ängstlich, wie das an
das Gesetz gebundene, sondern weit geöffnet für den Nächsten
und seine konkrete Not.

Dietrich Bonhoeffer

Quelle:
Ethik
, DBW Band 6, Seite 279

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