Stolze Gelassenheit

Bei Lessing las ich kürzlich: »ich bin zu stolz, mich
unglücklich zu denken – knirsche eins mit den Zähnen –
und lasse den Kahn gehen, wie Wind und Wellen wollen.
Genug, daß ich ihn nicht selbst umstürzen will«! Sollte dieser
Stolz und dieses Zähneknirschen dem Christen ganz untersagt
und fremd sein? etwa zugunsten einer vorzeitig vorbeugenden
milden Gelassenheit? gibt es nicht auch die stolze und zähneknirschende
Gelassenheit? die doch wieder etwas ganz anderes
ist als das sture, stumpfe, starre, leblose und vor allem gedankenlose
Sich-einem-Unvermeidlichen-Unterwerfen. Ich glaube,
daß Gott besser geehrt wird, wenn wir das Leben, das er uns
gegeben hat, in allen seinen Werten kennen und ausschöpfen
und lieben und darum auch den Schmerz über beeinträchtigte
oder verlorene Lebenswerte stark und aufrichtig empfinden –
man beschimpft das ja gern als die Schwäche und Empfindsamkeit
der bürgerlichen Existenz – als wenn man gegen die
Werte des Lebens stumpf ist und daher auch gegen den
Schmerz stumpf sein kann. Hiob’s Wort: »der Herr hat’s gegeben
usw. …« (Hiob 1, 21 b) schließt das eher ein als aus, wie ja
auch seinen zähneknirschenden Reden und ihrer göttlichen
Rechtfertigung (Hiob 42, 7 ff) gegenüber der falschen, vorzeitigen
frommen Ergebung seiner Freunde deutlich genug hervorgeht.

Dietrich Bonhoeffer

Quelle:
Widerstand und Ergebung
, DBW Band 8, Seite 288 f

Gedanken zum 29. August

Leben und Werk

Bonhoeffer heute

Forschung

ibg