Gott ist kein Lückenbüßer

In dem, was wir erkennen, sollen wir Gott finden, nicht
aber in dem, was wir nicht erkennen; nicht in den ungelösten,
sondern in den gelösten Fragen will Gott von uns
begriffen sein. Das gilt für das Verhältnis von Gott und wissenschaftlicher
Erkenntnis. Aber es gilt auch für die allgemein
menschlichen Fragen von Tod, Leiden und Schuld. Es ist heute
so, daß es auch für diese Fragen menschliche Antworten gibt,
die von Gott ganz absehen können. Menschen werden faktisch
– und so war es zu allen Zeiten – auch ohne Gott mit
diesen Fragen fertig, und es ist einfach nicht wahr, daß nur
das Christentum eine Lösung für sie hätte. Was den Begriff der
»Lösung« angeht, so sind vielmehr die christlichen Antworten
ebenso wenig – (oder ebenso gut) – zwingend wie andere mögliche
Lösungen. Gott ist kein Lückenbüßer; nicht erst an den
Grenzen unserer Möglichkeiten, sondern mitten im Leben muß
Gott erkannt werden; im Leben und nicht erst im Sterben, in
Gesundheit und Kraft und nicht erst im Leiden, im Handeln
und nicht erst in der Sünde will Gott erkannt werden. Der
Grund dafür liegt in der Offenbarung Gottes in Jesus Christus.
Er ist die Mitte des Lebens. Von der Mitte des Lebens aus fallen
gewisse Fragen überhaupt aus und ebenso die Antworten auf
solche Fragen

Dietrich Bonhoeffer

Quelle:
Widerstand und Ergebung
, DBW Band 8, Seite 454 f

Gedanken zum 30. August

Leben und Werk

Bonhoeffer heute

Forschung

ibg