Was ist der Eid (Matthäus 5, 33-37)? Er ist die öffentliche
Anrufung Gottes als Zeugen für eine Aussage, die ich
über etwas Vergangenes, Gegenwärtiges oder Zukünftiges
mache. … Der Eid ist der Beweis für die Lüge in der Welt.
Könnte der Mensch nicht lügen, so wäre kein Eid notwendig.
So ist der Eid zwar ein Damm gegen die Lüge, aber eben darum
fördert er sie auch; denn dort, wo allein der Eid letzte Wahrhaftigkeit
beansprucht, ist zugleich der Lüge im Leben Raum gegeben,
ist ihr ein gewisses Lebensrecht zugestanden. Das alttestamentliche
Gesetz verwirft die Lüge durch den Eid. Jesus aber
verwirft die Lüge durch das Verbot des Eides. …
Eure Rede sei Ja, ja und Nein, nein. Hierdurch wird das Wort
des Jüngers nicht etwa der Verantwortlichkeit vor dem allwissenden
Gott entzogen. Vielmehr ist gerade dadurch, daß der
Name Gottes nicht ausdrücklich angerufen wird, schlechthin
jedes Wort des Jüngers unter die selbstverständliche Gegenwart
des allwissenden Gottes gestellt. Weil es überhaupt kein Wort
gibt, das nicht vor Gott gesprochen wäre, darum soll der Jünger
Jesu nicht schwören. Jedes seiner Worte soll nicht als Wahrheit
sein, so daß keines der Bestätigung durch den Schwur bedürfe.
Der Schwur stellt ja alle seine anderen Worte ins Dunkel des
Zweifelhaften.
Quelle:
Nachfolge, DBW Band 4,
Seite 130 f