Jedes Wort soll seinen Ort haben

Jedes Wort lebt und ist beheimatet in einem bestimmten
Umkreis. Das Wort in der Familie ist ein anderes als das
Wort im Büro oder in der Öffentlichkeit. Das Wort, das in der
Wärme persönlicher Beziehung geboren ist, erfriert in der kalten
Luft der Öffentlichkeit. Das Wort des Befehls, das aus dem
öffentlichen Dienst kommt, würde in der Familie die Bande
des Vertrauens zerschneiden. und behalten. Es ist eine Folge des Überhandnehmens des
öffentlichen Wortes in Zeitung und Rundfunk, daß Wesen und
Grenzen der verschiedenen Worte nicht mehr klar empfunden
werden, ja daß z. B. die Eigenart des persönlichen Wortes fast
vernichtet wird. An die Stelle der echten Worte tritt das Geschwätz.
Die Worte haben kein Gewicht mehr. Es wird zuviel
geredet. Wenn aber die Grenzen der verschiedenen Worte sich
verwischen, wenn die Worte wurzellos, heimatlos werden, dann
verliert das Wort an Wahrheit, ja dann entsteht fast zwangsläufig
die Lüge. Wenn die verschiedenen Ordnungen des
Lebens sich nicht mehr gegenseitig achten, dann werden die
Worte unwahr.

Dietrich Bonhoeffer

Quelle:
Konspiration und Haft 1940-1945
, DBW Band 16, Seite 624 f

Gedanken zum 18. September

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