Erkennen und sehen

Ich muß die Augen meiner Sinne schließen, wenn ich sehen
will, was Gott mir zeigt. Gott macht mich blind, wenn er
mich sein Wort sehen lassen will (Psalm 119, 18). … Es ist ein
täglich neues Gebet, wenn wir morgens unsere Augen auftun
und wenn wir sie des Nachts schließen, daß Gott erleuchtete
Augen des Herzens geben wolle, die offen stehen, wenn der Tag
unsere natürlichen Augen betrügen will und wenn die Nacht
uns böse Träume vorspiegelt, geöffnete, erleuchtete Augen, die
von den Wundern des Gesetzes Gottes alle Zeit erfüllt sind. …
Wem Gott die Augen für sein Wort geöffnet hat, der sieht in
eine Wunderwelt hinein. Was mir bisher tot erschien, ist voller
Leben, das Widerspruchsvolle löst sich in höhere Einheit auf,
die harte Forderung wird zum gnädigen Gebot. Mitten im
Menschenwort höre ich Gottes ewiges Wort, in vergangener
Geschichte erkenne ich den gegenwärtigen Gott und sein
Wirken mir zum Heil. Der barmherzige Zuspruch wird mir zum
neuen Anspruch Gottes, die unerträgliche Last zum sanften
Joch. Das große Wunder im Gesetz Gottes ist die Offenbarung
des Herrn Jesus Christus. Durch ihn empfängt das Wort Leben,
das Widerspruchsvolle Einheit, das Offenbare, unergründliche
Tiefe. Herr, öffne mir die Augen.

Dietrich Bonhoeffer

Quelle:
Illegale Theologenausbildung: Sammelvikariate 1937-1940
, DBW Band 15, Seite 527ff

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