Selig sind die Knechte, die der Herr, so er kommt, wachend
findet (Lukas 12, 37). Wir stehen in einem Zeitalter der
Weltanschauungen. Es ist bereits eine Frage der Weltanschauung
geworden, wie man sich kleidet, wie man ißt, wie man
turnt. Und selten ist man weltanschaulich so gebunden, so
doktrinär, so intolerant gewesen wie heute. Nun kann man
natürlich über all diese Erscheinungen lächeln und sich überlegen
davon zurückziehen. Und doch ist solches Lächeln nicht
gut. Man zeigt, daß man nicht verstanden hat, worum es in
diesen scheinbar so wunderlichen Dingen geht. Und es ist ja
zweifellos ein einziges großes Thema, um das sich unser gesamtes
weltanschauliches Denken bewegt. Und das ist der zukünftige
Mensch. … Ob man sich diesen Menschen denkt als den
politischen Menschen, als den ethischen Menschen, den intellektuellen
Menschen, den religiösen Menschen, als den Kämpferischen
oder den Friedfertigen, es ist alles im Grunde nur die
eine große Sorge um den Menschen der Zukunft. …
Und nun scheint es so, als ob die Bibel in diesem Versuch, eine
neue Art Mensch zu schaffen, auch ein Wort mitreden wollte,
als ob sie durchaus ihr eigenes Ideal von dem Menschen aufstellte,
der der Zukunft entgegengehen soll. Es ist nicht der
politische, nicht der ethische, auch nicht einmal der religiöse
Mensch, von dem sie redet, sondern es ist der Mensch der
wachend wartet, der wartende Mensch.
Quelle:
Ökumene, Universität, Pfarramt 1931-1932, DBW Band 11,
Seite 387ff