Sollte Gott gesagt haben?

Was sich zwischen Jesus und den Pharisäern abspielt, ist
nur die Wiederholung jener ersten Versuchung Jesu
(Matthäus 4, 1-11), in der der Teufel ihm einen Zwiespalt in Gottes
Wort zu bringen versuchte und die Jesus aus der wesenhaften
Einheit mit dem Worte Gottes überwand. Diese Versuchung
Jesu hat wiederum ihr Vorspiel in jener Frage, mit der
die Schlange im Paradies Adam und Eva zu Fall bringt: »sollte
Gott gesagt haben …?« (1 Mose 3, 1) Es ist die Frage, die alle Entzweiung
in sich birgt, gegen die der Mensch machtlos ist, weil
sie sein Wesen ausmacht, die Frage die nur von jenseits der
Entzweiung – nicht beantwortet, aber – überwunden werden
kann. Schließlich aber wiederholen sich alle diese Versuchungen
in den Fragen, in denen auch wir Jesus immer gegenübertreten,
in denen wir ihn in Konfliktsfällen um Entscheidung
anrufen, in denen wir also Jesus in unsere Fragen, Konflikte,
Entzweiungen hineinziehen, und von ihm die Lösung fordern.
Es gibt schon im Neuen Testament keine einzige Frage, die
Menschen an Jesus richten, die von Jesus durch ein Eingehen
auf das Menschliche Entweder-Oder, das in jeder Frage gemeint
ist, beantwortet würde. … Jesus läßt sich nicht zum Schiedsrichter
in Lebensfragen anrufen, er weigert sich, sich auf
menschliche Alternativen festlegen zu lassen: »Mensch, wer
hat mich zum Richter oder Erbverteiler über euch bestellt?«
(Lukas 12, 14)

Dietrich Bonhoeffer

Quelle:
Ethik
, DBW Band 6, Seite 313 f

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