Schutt und Splitter

Die allgemeinen Prinzipien der historischen Kritik ruhen
auf dem naturwissenschaftlich-mechanischen Weltbilde,
und ihre Erkenntnismethoden sind zunächst die naturwissenschaftlichen;
jede dogmatische Bindung wird ausgeschaltet.
Dies die Grundpfeiler, auf denen jede Geschichtsforschung ruht
und ruhen muß. Ihre Erkenntnisse sollen durch die prinzipielle
Trennung von erkennendem Subjekt und erkanntem Objekt
›allgemeingültige‹ für jeden vernünftigen Menschen nachzuvollziehende
sein. Das wachsende Interesse für die Psychologie,
konnte für das Verständnis der Bibel keine entscheidende Wendung
bringen. An der Form der Bibel exemplifiziert bedeutet
dies Verfahren, daß der Begriff des Kanons aufgelöst, sinnlos
wird. Text- und Literaturkritik setzen ein, die Quellen werden
geschieden, religionsgeschichtliche und formgeschichtliche
Methode zersplittern auch die letzten kleinen Texteinheiten.
Nach dieser vollkommenen Zertrümmerung der Texte verläßt
die Kritik den Kampfplatz, Schutt und Splitter zurücklassend,
ihre Arbeit scheint erledigt.

Dietrich Bonhoeffer

Quelle:
Jugend und Studium 1918-1927
, DBW Band 9, Seite 306 f

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