Was bleibt wirklich übrig?

Wenn wir uns in unruhigen Zeiten einmal fragen, was
eigentlich von all der Aufregung, von all dem Hin und
Her der Gedanken und Überlegungen, von all den Sorgen und
Befürchtungen, von allen Wünschen und Hoffnungen, die wir
uns machen, wirklich zuletzt übrig bleibt – und wenn wir uns
dann die Antwort der Bibel geben lassen wollen, so wird uns
gesagt: Es bleibt von all dem zuletzt nur eines, nämlich die
Liebe, die wir in unseren Gedanken, Sorgen, Wünschen und
Hoffnungen gehabt haben. Alles andere hört auf, vergeht, alles,
was wir nicht aus Liebe gedacht und ersehnt haben, alle Gedanken,
alle Erkenntnis, alles Reden ohne Liebe hört auf – nur
die Liebe höret nimmer auf (1 Korinther 13, 8). …
Warum muß alles andere aufhören und warum hört allein die
Liebe nimmer auf? Weil allein in der Liebe der Mensch sich
selbst aufgibt, seinen Willen drangibt für den anderen, weil
also allein die Liebe nicht aus meinem eigenen Selbst kommt,
sondern aus einem anderen Selbst, aus dem Selbst Gottes. Weil
also allein in der Liebe Gott selbst durch uns handelt – während
in allem anderen wir selbst handeln; es sind unsere Gedanken,
unser Reden, unsere Erkenntnisse, aber es ist Gottes Liebe.
Und was von uns ist, muß aufhören, alles – aber was von Gott
ist, das bleibt.

Dietrich Bonhoeffer

Quelle:
London 1933-1935
, DBW Band 13, Seite 393 f

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