Wir haben keine Zeit mehr zu feierlichen Kirchenfesten,
in denen wir uns vor uns selbst darstellen, wir wollen
nicht mehr so Reformation feiern! Laßt dem toten Luther endlich
seine Ruhe und hört das Evangelium, lest seine Bibel, hört
hier das Wort Gottes selbst. Gott wird uns am jüngsten Tage
gewiß nicht fragen: habt ihr repräsentative Reformationsfeste
gefeiert? Sondern: habt ihr mein Wort gehört und bewahrt?
Lassen wir es uns darum sagen: »Aber ich habe wider dich, daß
du die erste Liebe lässest« (Offenbarung 2, 4 f.).Wenn ich doch
jetzt dies Wort so zu sagen vermöchte, daß es uns wirklich weh
tut. Es soll uns weh tun, es wäre sonst Gottes Wort nicht. Aber
ich sehe wie ihr, wir ihr schon jetzt, wie bei einem schlechten
Roman zuerst das glückliche Ende der Geschichte lest, um von
dem vorangehenden nicht so sehr aufgeregt zu werden, um immer
sagen zu können, es geht ja noch alles gut ab. »Aber ich
habe wider dich, daß du die erste Liebe lässest«. Der Unterschied
dessen, was hier erste Liebe genannt wird, von allem
anderen was so genannt zu werden pflegt, ist sehr prägnant,
nämlich der, daß es über die erste Liebe hinaus schlechthin
keine andere Liebe mehr gibt. Die erste Liebe ist die einzige
Liebe, die es überhaupt gibt – denn es ist die Liebe aus Gott
und zu Gott – außer dieser Liebe, dieser ersten Liebe gibt es nur
Haß, und sie verlassen, heißt Gott verlassen.
Quelle:
Berlin 1932-1933, DBW Band 12,
Seite 426 f